BUND Kreisverband Stuttgart

Waldmanagement

Bewirtschaftungsplan

Wer kümmert sich denn um die Verwaltung des Waldes?

Die Verwaltung eines Waldes ist davon abhängig, ob es sich um einen Privatwald, Kommunalwald oder Staatswald handelt. Ich bin als Förster für einen Staatswald zuständig. Die Verwaltung vom Staatswald ist so aufgebaut, dass wir eine landesweite Betriebsleitung haben, wobei die Waldflächen in verschiedene Forstbezirke eingeteilt sind. In denen gibt es wiederum einzelne Forstreviere.

Wie läuft die Verwaltung konkret ab?

Die weitere Verwaltung und Bewirtschaftung der einzelnen Waldbereiche legen wir in der Forsteinrichtung in einem Zehnjahresplan fest. Um angemessen zu planen, machen wir im Vorjahr eine Betriebsinventur. Dazu wird erstmal eine permanente Stichprobeninventur angelegt: An vielen bestimmten Punkten im Wald werden Metallstangen in die Erde gerammt. Diese stellen den Mittelpunkt des Aufzeichnungsbereichs dar und sind weder für Waldbesucher noch für Förster und Waldwirtschaftler sichtbar. So wird sichergestellt, dass niemand den Prozess manipulieren kann. Um diesen Mittelpunkt herum werden sogenannte Probekreise angelegt. In diesen Kreisen wird durch externe Messtrupps der Boden bzw. die Bodenvegetation analysiert, die Baumartenverteilung und der Holzzuwachs aufgenommen. Durch diese umfassende Analyse kann man ziemlich genau sagen wie der Wald aufgebaut ist und wie viel Holz zuwächst. Diese Daten sind Grundlage für die Erstellung des 10-jährigen Bewirtschaftungsplans der Forsteinrichtung.

Beschläge mit Bannwald (gelb)

Und wie wird dieser Plan dann in die Tat umgesetzt?

Wir machen dann im Folgejahr mit einem Forsteinrichter, der die Messdaten aus der Betriebsinventur hat, vor Ort eine detaillierte Zustandsbeschreibung der Bestände. Ein Bestand ist eine naturale und wirtschaftliche Einheit, anhängig von der Baumartenzusammensetzung und dessen Alter. Dann schauen wir auf den Holzvorrat, die jeweilige Waldfunktion und die unterschiedlichen Schutzgüter und erstellen im Einklang damit eine Planung, bzw. Zielsetzung für die nächsten 10 Jahre. Dabei wird auch festgelegt, wie viel Holz geerntet werden kann oder sogar muss, um die zuvor festgelegten Ziele zu erreichen. Hinzu kommen noch sogenannte Waldrefugien- und Prozess-Schutzflächen in denen wir gar nicht eingreifen, sondern nur beobachten, wie sich die Natur hier entwickelt. Die Bestände werden dann abgegrenzt und in der Revierkarte dargestellt. Die Forsteinrichtung kann man mit einem Wegweiser vergleichen. Sie schaut zurück: Was lief in den letzten Jahren, wo stehen wir jetzt und wo wollen wir uns in den nächsten 10 Jahren hin entwickeln? Im Laufe der 10 Jahre durchforsten wir die Bestände ein- bis zweimal. Manchmal kommen wir aber auch zum Entschluss, dass in den nächsten 10 Jahren gar nichts getan wird.
Nach ca. fünf Jahren machen wir dann Zwischenrevisionen und evaluieren, ob wir auf dem richtigen Weg sind.

Wie entstehen denn die Ziele für das ‚richtige‘ Forstwirtschaften?

In dem Planungswerk der Forsteinrichtung stehen nicht nur die kartierten Waldbiotope, sondern auch alle unsere Zielsetzungen. Der Wald ist multifunktional und soll die Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion gleichermaßen bedienen.

Wichtig ist auch, ob es sich um ein Schutzgebiet handelt, einen Schonwald oder ein FFH-Gebiet. Danach legen wir einen forstwirtschaftlichen Plan an, um sicherzustellen, dass alle Ziele und Funktionen im Einklang sind. Das nennt sich integrierte Bewirtschaftungsplanung. Dieses Planungswerk ist so ein bisschen wie unsere Bibel, da steht alles drin, was wir brauchen, um naturschutzfachliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Themen umzusetzen.

Freigestellter Habitatbaum (ca 300 Jahre alt)

Was ist denn ein FFH-Gebiet?

Hier in Stuttgart haben wir auch sog. FFH-Gebiete. Das sind Gebiete, in denen Flora-, Fauna- und Habitat-Richtlinien umgesetzt werden. Das sind EU-weite Netze an Gebieten, in denen bestimmte Naturschutzmaßnahmen umgesetzt werden.
Eines der naturschutzfachlichen Themen hier im Stuttgarter Wald ist z.B. das Eremit Vorkommen. (Mehr dazu im Teil Natur-und Artenschutz) Wir sind dafür verantwortlich, dass die Population auf dieser Fläche so bleibt und sich weiterentwickeln kann. Der Eremit kommt hauptsächlich in alten Bäumen, sogenannten Habitatbäumen, wie in der Eiche und Buche vor.

Wie entsteht ein Habitatbaum?

Von allein durch den natürlichen Zerfall oder Störungen, wie zum Beispiel einem Astabbruch. Aber wir als Waldbewirtschafter fördern solche Bäume. Im Bereich des Stuttgarter Rot- und Schwarzwildparks schauen wir erst nach Naturschutzbäumen (Habitatbäume), das sind z.B. alte Eichen die krüppelig gewachsen sind und eine weite Krone haben. Die wollen wir entwickeln und fördern. Dann schauen wir im Umkreis, ob wir weitere Bäume dieser Art finden. Alle 30 Meter wäre der Idealabstand. Diese werden dann freigestellt, damit sie ihre Krone möglichst breit entwickeln können. Wir setzen sehr auf die Eiche. Sie ist eine Lichtbaumart und kann eine sehr große Krone bilden. Um die Eiche zu erhalten und zu pflegen müssen wir dafür sorgen, dass keine anderen Bäume in ihre Krone wachsen und sie dadurch verdrängen. Wir entfernen die Bedränger aus dem Kronenbereich, um die Eiche und somit auch den Eremiten zu erhalten. In diesem Vollzug fällt natürlich Holz an. Das ist meist minderwertiges Brenn- oder Industrieholz. Für die Gesellschaft ist das eine Win-Win-Situation, denn wir können den Wald und die Lebewesen schützen und erhalten gleichzeitig den Rohstoff Holz für die stoffliche Verwertung.

Rückegasse mit Bodenschutz aus Astwerk

Wie können die Holzwirtschaft und der Naturschutz im Einklang miteinander gestaltet werden?  Geht das überhaupt?

Das machen wir mit den Managementplänen und der Forsteinrichtung. Wir arbeiten sehr nachhaltig, ernten also nur das, was zuwächst. Momentan liegen wir hier sogar unter dem durchschnittlichen Holzeinschlag.

Ohne Holzeinschlag können wir naturschutzfachliche Zielsetzungen oft gar nicht umsetzen. Schützen durch nützen sozusagen. Wir haben aber auch stillgelegte Flächen. Auf die Mischung vieler verschiedener Lebensräume kommt es an. Ohne forstliches Handeln hätten wir weniger Baumarten und weniger vielfältige Lebensräume.

Was sind die Vorteile eines integrierten Ansatzes?

Um das komplexe Thema etwas zu verdeutlichen, nehme ich mal das Beispiel USA oder Kanada. Auf der einen Seite, gibt es dort riesige Wirtschaftswälder, die hochgezogen und dann abgeholzt werden. So geht das dann immer weiter. Auf der anderen Seite haben sie die großen Nationalparks, in denen gar nichts gemacht wird. Bei uns ist das anders. Anstatt diese zwei Bereiche zu separieren, entweder Wirtschaft oder Naturschutz, wollen wir beides zusammenbringen. Wir haben einen integrierten Ansatz entwickelt. Für viele bedeutet Holzwirtschaft einfach nur Kahlschlag.  Deshalb sind von vielen nur geschützte Nationalparks erwünscht. Die haben wir in Deutschland natürlich auch, aber wir haben auch Holzwirtschaftsflächen, innerhalb derer der Naturschutz eine zentrale Rolle spielt. Holzwirtschaft und Naturschutz können hierbei sehr gut Hand in Hand gehen.

 

Buchenbestand

 Worin liegen die Chancen des menschlichen Eingreifens in den Wald?

Ohne unseren Eingriff würden die Wälder hier ganz anders aussehen. Lichtbaumarten wären z. B. gar nicht konkurrenzfähig. Die Artenvielfalt kann durch die Pflege gefördert werden. Speziell im Stuttgarter Rotwildpark hat der Mensch diese Artenvielfalt gemacht. Förstern wird oft vorgeworfen, sie machen den Wald kaputt. Ja, wir fahren mit Maschinen in den Wald, aber dadurch werden Arten wie die Gelbbauchunke gefördert und andere Waldbewohner profitieren davon. Wir sind für sehr viele Arten verantwortlich, die so im öffentlichen Raum keinen Platz mehr finden.

Von der Bundesregierung gibt es ein 1,5 Milliarden Unterstützungsprogramm, um Wälder resilient und standortangepasst zu machen. Kommt das an? Wie merken Sie das?

Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir nicht so stark von Schäden durch den Borkenkäfer betroffen sind wie etwa der Schwarzwald oder Wälder im Umkreis des Bodensees. Dadurch, dass wir hauptsächlich stabile Mischbestände haben, haben wir auch sonst wenig Schadflächen. Wir im Stuttgarter Beriech brauchen diese Gelder im Grunde genommen nicht, die sollen lieber in andere Regionen genutzt werden. Wir arbeiten wirklich viel mit der Naturverjüngung, also den Kindern der Altbäume. Das ist, wovon wir uns am meisten versprechen, da dies der natürliche Weg ist.

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