BUND Kreisverband Stuttgart

Streuobstwiesen – Ein Beitrag zum Artenschutz

01. Oktober 2021

Streuobstwiesen sind für uns in Stuttgart oder auch in Baden-Württemberg ein vertrauter Anblick. Dabei sind sie etwas ganz Besonderes, sowohl kulturell als auch naturschutzfachlich. Doch was macht sie so besonders und was hat Stuttgart eigentlich in Sachen Streuobst zu bieten? Hier ein Überblick.

Streuobstwiese (BUND KV Stuttgart/W.-D. Paul)  (Wolf-Dietrich Paul / Wolf-Dietrich Paul)

Streuobstwiesen – ein Steckbrief

Streuobstwiesen, wie wir sie heute kennen, sind das Ergebnis einer Entwicklung, geprägt durch die Landnutzung der letzten Jahrhunderte. Sie sind ein charakteristischer Bestandteil unserer Kulturlandschaft.
Es handelt sich bei einer Streuobstwiese im klassischen Sinne um eine Grünlandfläche, zum Beispiel eine Wiese oder Weide, auf der hochstämmige Obstbäume, wie Äpfel oder Birnen wachsen. Hier werden also zwei Landschaftsnutzungsformen – das Grünland und der Obstanbau – miteinander verknüpft.
Streuobstwiesen werden extensiv bewirtschaftet, das heißt dass die Wiesen oder Weiden nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht, bzw. beweidet werden.
Die Streuobstwiese hat ganz vielfältige Funktionen wie zum Beispiel das Erzeugen von Obst und Produkten wie Saft und Holz, gleichzeitig gestaltet sie die Landschaft und bietet somit für den Menschen auch einen Erholungsraum. Des Weiteren trägt sie auch zu Verbesserung des lokalen Klimas bei und bietet nicht zuletzt vielen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum. Die Streuobstflächen gehen in den letzten Jahren immer weiter zurück, Gründe hierfür sind zum Beispiel Siedlungserweiterungen, Straßenbau, aber auch die Umwandlung in Freizeitgärten.

Was macht Streuobstwiesen so wichtig für den Naturschutz?

Die Funktion der Streuobstwiesen hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Lag früher der Fokus auf wirtschaftlichem Ertrag zwecks Nahrungsgewinnung und Holznutzung, steht heute die wichtige Funktion der Streuobstwiese innerhalb des Naturschutzes klar im Vordergrund. Doch warum ist das so?

Die Streuobstwiese bietet aufgrund ihres Aufbaues durch Bäume und Wiese eine ganz besondere Vielfalt an Lebensräumen. Je vielfältiger die Lebensräume sind, umso größer ist die Artenvielfalt. Sie zählen zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa und beherbergen 5000 bis 6000 Tier- und Pflanzenarten, darunter auch viele gefährdete Arten [1]. Zudem können die Streuobstwiesen verteilt über das gesamte Stadtgebiet zum Biotopverbund beitragen und ermöglichen vielen Arten so das Wandern von einem Standort zum nächsten, indem viele Biotope – also Lebensräume – miteinander verbunden werden.

Auch der Aspekt der genetischen Pflanzenvielfalt spielt beim Thema Streuobst eine große Rolle: viele alte Obstsorten, die im konventionellen Obstanbau längst nicht mehr vorkommen sind hier zu finden. Gerade von Generation zu Generation vererbte Streuobstwiesen können hier eine wahre Fundgrube sein. Das Besondere an alten Sorten ist, dass sie oftmals widerstandsfähiger gegen Krankheiten und besser angepasst an Klimaschwankungen sind [2] und von Menschen mit Nahrungsmittelallergien häufig besser vertragen werden [3].

Die Wichtigkeit für den Schutz und Erhalt der Streuobstwiesen wurde in diesem Jahr nochmals verdeutlicht, indem das Bundesnaturschutzgesetz geändert wurde. So zählen nun auch Streuobstwiesen bundesweit zu den geschützten Biotopen [4].
Seit 2020 ist im Naturschutzgesetz Baden-Württemberg die Erhaltung von Streuobstbeständen geregelt, allerdings erst ab einer Mindestfläche von 1,5 Hektar. Zudem ist die Umwandlung und der Ausgleich von Streuobstflächen zum Beispiel bei Baumaßnahmen festgelegt [5].

Was hat Stuttgart in Sachen Streuobst zu bieten?

In Stuttgart gibt es laut der aktuellsten Erhebung 67.487 Streuobstbäume [7] auf einer Gesamtstadtfläche von rund 20.734,3 ha [6]. Das macht im Durchschnitt eine Dichte von 3,25 Streuobstbäumen pro Hektar. Das sind jedoch nur 76 % der vorhandenen Bäume. Jungbäume sind aus technischen Gründen nicht erfasst [7]. Bei einem durchschnittlichen Streuobstbestand von 80 Bäumen pro Hektar ergibt sich für Stuttgart eine Streuobstfläche von 843,58 ha. Das entspricht rund 4 % der Gesamtfläche von Stuttgart - oder etwas anschaulicher - rund 1181 Fußballfeldern. Zum Vergleich: die Verkehrsfläche in Stuttgart beträgt 14,67 % der Gesamtfläche [6].

Stuttgart nimmt die Streuobstwiesen sowohl im Artenschutzkonzept als auch im Kommunalen Umweltbericht Naturschutz und Landschaftspflege in den Fokus. Für Stuttgart werden allein 31 Zielarten genannt. Zielarten sind Tier- oder Pflanzenarten von besonders hoher naturschutzfachlicher Bedeutung, wie zum Beispiel der Steinkauz, der Wendehals, Fledermausarten, die Zauneidechse oder auch Pflanzenarten wie die Wiesen-Glockenblume. Des Weiteren werden im Artenschutzkonzept konkrete Maßnahmen aufgeführt, um Streuobstwiesen zu erhalten, zu optimieren und nicht weiter zu gefährden, wie zum Beispiel das Nachpflanzen von heimischen Obstsorten, den Erhalt von Altholz und höhlenreichen Bäumen oder auch den Verzicht auf Bebauung [8].

Der Saft von Stuttgart Streuobstwiesen wird dank der Initiative „Stuttgarter Apfelsaft“ seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit der Saftkelterei Mayer aus Uhlbach vermarktet und ist im freien Handel erhältlich. Bezugsadressen finden sich auf der Webseite des Vereins. Der Verein Stuttgarter Apfelsaft setzt sich ebenso wie der Verein „Rohrer Weg“ für den Erhalt und Schutz der Streuobstwiesen ein.

Beispielhaft seien drei Streuobstwiesen genannt, die sich gut mit einem Ausflug ins Grüne verbinden lassen: die Streuobstwiese Kressart in Möhringen/Sonnenberg, für die aktuell eine Smartphone-Quiz-Rallye entwickelt wird und die Streuobstwiese am Greutterwald in Weilimdorf. Die Streuobstwiese am Greutterwald ist neben einigen weiteren Wiesen unter Naturschutz gestellt. Eine besondere Streuobstwiese, die auch für Kinder einige Überraschungen bereithält, liegt im Gewann „Lauchäcker“ in Stuttgart-Vaihingen. Neben den alten Obstbäumen findet sich hier ein weitläufiger Spielplatz. So lässt sich Streuobst in Stuttgart auf die verschiedensten Weisen erleben.

Und außerhalb von Stuttgart?

Baden-Württemberg kommt in Bezug auf Streuobstwiesen eine wichtige Bedeutung zu, weist es doch europaweit die größten zusammenhängenden Streuobstflächen aus [9]. So hat das Land Baden-Württemberg ein eigenes Streuobstportal, wo sich Informationen rund um das Streuobst finden bis hin zu Veranstaltungshinweisen.

Diese wichtige Stellung in Europa wird verdeutlicht durch die Auszeichnung als UNESCO Immaterielles Kulturerbe, welches der Streuobstanbau im Jahr 2021 erhielt [10].

Das Kleinod Streuobstwiese als vielfältigen Lebensraum gilt es in ganz Baden-Württemberg wertzuschätzen, zu schützen, zu erhalten und zu pflegen, denn Streuobstwiesen sind etwas Einmaliges, was es nicht weltweit gibt.

In diesem Sinne viel Freude beim Entdecken der Schätze vor der Haustüre in Stuttgart.

Quellen:

  1. Spektrum (2021): Biologielexikon. Streuobstwiesen. https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/streuobstwiesen/64276
  2. Stadt Stuttgart (2007): Kommunaler Umweltbericht. Naturschutz und Landschaftspflege. Amt für Umweltschutz Stuttgart.
  3. BR [Bayerischer Rundfunk] (2020): Apfel-Allergie. Diese Äpfel sind für Allergiker verträglich. https://www.br.de/nachrichten/wissen/apfel-allergie-diese-aepfel-sind-fuer-allergiker-vertraeglich,R9B3XXz
  4. BfN [Bundesamt für Naturschutz] (2021): Rechtsetzung. Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland und zur Änderung weiterer Vorschriften. https://www.bfn.de/themen/recht/rechtsetzung.html
  5. Land Baden-Württemberg (2020): Gesetzentwurf zur Stärkung von Naturschutz und Landwirtschaft beschlossen. Pressemitteilung. https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/gesetzentwurf-zur-staerkung-von-naturschutz-und-landwirtschaft-beschlossen/
  6. Stadt Stuttgart (2020): Stuttgart in Zahlen. https://www.stuttgart.de/service/statistik-und-wahlen/stuttgart-in-zahlen.php
  7. Borngräber, S., Krismann, A., Schmieder, K. (2020): Ermittlung der Streuobstbestände Baden-Württembergs durch automatisierte Fernerkundungsverfahren. In: Naturschutz und Landschaftspflege Baden-Württemberg 81. Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg.
  8. Stadt Stuttgart (2007): Artenschutzkonzept. Amt für Umweltschutz Stuttgart.
  9. LUBW [Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg] (2021): Streuobst. https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/natur-und-landschaft/streuobst
  10. UNESCO (2021): Immaterielles Kulturerbe Deutschland. Streuobstanbau. https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/streuobstanbau

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