Pressemeldung
Stuttgart, 07.10.2025
Der BUND sieht S21 Bebauungsplan Teilgebiet A2 kritisch und fordert aktuellere und unabhängige Gutachten für den Bereich Luft und Klima.
Am 06.10.2025 endetet die Frist für Stellungnahmen zum umstrittenen Aufstellungsbeschluss S21 Rosenstein Teilgebiet A2. Es handelt sich um die aktuell genutzte Bahnfläche zwischen Kopfbahnhof-Querbahnsteig und Wolframstraße.
Bekanntlich läuft gegen diesen Bebauungsplan aktuell ein Bürgerbegehren, das der BUND Stuttgart mitunterstützt.
Nachfolgend die Stellungnahme des BUND:
Stellungnahme BUND Kreis- und Regionalverband Stuttgart zu S-21 Rosenstein Teilgebiet A2 – Aufstellungsbeschluss (Stgt 328)
Stuttgart, 06.10.2025
Der BUND hat erhebliche Bedenken und sieht die Planung kritisch.
Thermische Auswirkungen
Die künftig zahlreichen Baukörper und versiegelten Flächen wirken thermisch belastend in einem Umfeld, das bereits heute massiv unter Hitzestress leidet. Der Klimawandel wird diese Situation in Zukunft weiter erheblich verschärfen. Begrünungsmaßnahmen können diesen negativen Effekt nur teilweise, jedoch nicht ausreichend, abmildern. Entscheidend ist eine Reduzierung der Baukörper, die Wärme aufnehmen, speichern und wieder abgeben.
Der BUND fordert daher die Erstellung entsprechender Gutachten, die verschiedene Klimawandel-Szenarien – unter anderem eine Erhöhung der Jahresmitteltemperatur um mindestens drei Grad im Talkessel – berücksichtigen. Zudem sollten unabhängige Zweitgutachten außerhalb der Stadtverwaltung eingeholt werden.
Kaltluftentstehung
Das Plangebiet stellt in den Nachtstunden nachweislich ein bedeutendes Kaltluftproduktionsgebiet (Bahnanlagen-Klimatop) dar. Durch die geplante Überbauung ginge eine wichtige Kaltluftquelle für den Talkessel und Bad Cannstatt verloren. Angesichts der fortschreitenden Klimaerwärmung – von der insbesondere der Innenstadtbereich stark betroffen sein wird – ist dieser Verlust zu quantifizieren und zu bewerten.
Der BUND fordert hierzu entsprechende Gutachten, die verschiedene Klimawandel-Szenarien – insbesondere eine Erhöhung der Jahresmitteltemperatur um mindestens drei Grad im Talkessel – zur Grundlage haben. Auch hier sollten unabhängige Zweitgutachten außerhalb der Stadtverwaltung beauftragt werden.
Kaltluftbahnen
Das nahezu hindernisfreie Plangebiet erfüllt eine zentrale Funktion als Kaltluftleitbahn im Stuttgarter Talkessel sowie für das nordöstlich angrenzende Bad Cannstatt. Der sogenannte „Nesenbächer“ fungiert dabei als lebensnotwendige Klimaanlage für die Stuttgarter Innenstadt.
Bei der vorgesehenen Bauhöhe von bis zu 21 Metern (Baufeld A2) sowie den drei Hochpunkten mit bis zu 30 Metern im Bereich des Mittleren Schlossgartens wird laut Angaben der Stadtklimatologie eine Reduzierung des Kaltluftquerschnitts um 10 bis 15 % prognostiziert. Dies stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des Kaltluftabflusses dar und ist angesichts der fortschreitenden Klimaerwärmung unverantwortlich – insbesondere im Hinblick auf den vorsorgenden Gesundheitsschutz der Stadtbevölkerung.
Auch die kleinräumigen Frischluftströme vom Kriegsberg und der Mönchhalde über den Bereich Türlen-/Tunzhoferstraße werden durch die Baukörper im Bereich A2 beeinträchtigt – selbst dann, wenn in der Gebäudeanordnung sogenannte „Lüftungsschlitze“ vorgesehen sind.
Der BUND fordert daher entsprechende Gutachten auf Basis unterschiedlicher Klimawandel-Szenarien (mindestens drei Grad Jahresmittel-Temperaturanstieg im Talkessel) sowie die Einholung unabhängiger Zweitgutachten außerhalb der Stadtverwaltung.
Luftschadstoffe
Durch die Bebauung des Plangebietes A2 entstehen neue Ziel- und Quellverkehre, die nur teilweise über den Umweltverbund (Bahn, Bus, Mikromobilität) abgewickelt werden können. Selbst bei einer vollständig elektrifizierten Fahrzeugflotte bleibt das Feinstaubproblem bestehen, da der Reifenabrieb inzwischen die Hauptquelle für Feinstaub darstellt. Aufgrund der schweren Batterien ist der Reifenabrieb bei Elektrofahrzeugen sogar erhöht.
Zur Verringerung der Zahl vorzeitiger Todesfälle durch Luftverschmutzung plant die Europäische Union, die Grenzwerte für Feinstaub ab 2030 deutlich zu senken: Der Jahresgrenzwert für PM₂,₅ soll von 25 µg/m³ auf 10 µg/m³, der für PM₁₀ von 25 µg/m³ auf 20 µg/m³ reduziert werden. Zum Vergleich: Die aktuelle PM₁₀-Belastung im derzeit noch autofreien A2-Gebiet liegt bereits bei über 20 µg/m³.
Der BUND fordert daher entsprechende Gutachten, die die künftig geltenden EU-Grenzwerte als Grundlage heranziehen. Auch hier sollten unabhängige Zweitgutachten außerhalb der Stadtverwaltung eingeholt werden.
Anmerkung
Der Hinweis des Stadtplanungsamtes auf bestehende Untersuchungen und Gutachten ist aus Sicht des BUND nicht ausreichend, da diese Unterlagen veraltet sind (Lohmeyer 2009, Müller 2016).
Auch die Stellungnahme der Stadtklimatologie „Stuttgart Rosenstein, Teilgebiet A2, A3 und B: Auswirkungen der geplanten Bebauung auf die Durchlüftung“ vom 09.09.2021 (Amt für Umweltschutz) bedarf einer Neubewertung – insbesondere im Hinblick auf die jüngsten Erkenntnisse über das Ausmaß und die dramatische Geschwindigkeit des Klimawandels in Stuttgart.