BUND Kreisverband Stuttgart

Artenschutz in Stuttgart

28. Juli 2021 | Lebensräume, Lebenswertes Stuttgart, Naturschutz, Wildnis Stuttgart

Der Rückgang und das Aussterben vieler Arten ist weltweit zu beobachten. Bereits 2019 warnten Experten, dass eine Million Arten weltweit bedroht seien [1]. Aber wie sieht es eigentlich vor unserer eigenen „Haustür“ aus, was wird in Stuttgart unternommen, um dieser besorgniserregenden Entwicklung entgegenzuwirken? Wir haben für Euch beim Amt für Umweltschutz nachgefragt.

Färberginster (Foto und Rechte: Landeshauptstadt Stuttgart)

Eine große Artenvielfalt erhält das Gleichgewicht unsere Ökosysteme und macht sie widerstandsfähig gegen Veränderungen von außen, allen voran dem Klimawandel. Eine große Mitverantwortung für das Artensterben trägt der Mensch, wenn er immer wieder in das sensible Gleichgewicht der Ökosysteme eingreift. Oft zieht die Natur dabei den Kürzeren: 2012 kam es z.B. im Zuge der Bauarbeiten zu Stuttgart 21 zu negativen Schlagzeilen, als aufgrund von falsch gelegten Folien am Bahnhof Feuerbach einige streng geschützte Zauneidechsen verendeten.

 

In Stuttgart gibt es schützenswerte Tiere und Pflanzen

Wie steht es also in Stuttgart um die Artenvielfalt? Immerhin 39 Prozent des Stadtgebiets in Stuttgart sind bereits Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiete und bieten vielen Arten ein Refugium. Trotzdem werden auch hier manche Arten immer seltener gesichtet oder verschwinden ganz. Ein Beispiel ist der Kleine Heidegrashüpfer, der zuletzt im Naturschutzgebiet Eichenhain beobachtet werden konnte. Diese Art ist in Baden-Württemberg stark gefährdet. Damit auch außerhalb der geschützten Gebiete selten gewordene Arten der Flora und Fauna erhalten bleiben, hat man in Stuttgart bereits 2015 ein umfassendes Konzept zum Artenschutz [2] entwickelt.

 

Das Stuttgarter Artenschutzkonzept

Worum geht es? Es ist ein freiwilliges Pionierprojekt mit dem Ziel, ausgewählte Biotope im gesamten Stadtgebiet zu erhalten und so langfristig den Bestand der darin vorkommenden Arten zu schützen. Der Gemeinderat der Stadt Stuttgart hat sich dafür eingesetzt, dass für die Umsetzung des Artenschutzkonzeptes Mittel in Höhe von 354.000 € für die Erstpflege im Finanzhaushalt eingestellt werden. Auf Dauer werden pro Jahr 140.000 € für die weitere Unterhaltung der sogenannten Top-E-Flächen bereitgestellt. Dies sind Lebensräume, in denen mit geringem Aufwand eine große Verbesserung erzielt werden kann. Das „E“ im Namen steht für Effizienz. Die Umsetzung startete 2018 und wird seitdem durchgeführt von den flächenverwaltenden Ämtern - Garten, Friedhofs- und Forstamt zum einen und Liegenschaftsamt zum anderen.

 

Welche Maßnahmen wurden bereits in die Praxis umgesetzt?

Ein bekanntes Beispiel ist der Dachswald. Nach Rodungsarbeiten an der Gäubahnböschung hat sich der seltene Backenklee, der trockenwarme Standorte benötigt und in Stuttgart nur noch hier zu finden ist, auf größere Flächen ausgedehnt. An anderer Stelle lief es anfangs nicht so rund. Beispielsweise wurde der Magerrasen auf der Egelseer Heide im ersten Jahr zu früh vollständig gemäht und die Wildbienen, die im darin liegenden Stubensandstein-Aufschluss nisten, fanden nicht genug Nahrung. Eine regelmäßige zweimalige Mahd im Jahr ist zum Erhalt des Magerrasens aber unbedingt erforderlich. Deshalb werden inzwischen die Bereiche mit den wichtigsten Blütenvorkommen für die Wildbienen bei der ersten Mahd ausgespart. All dies funktioniert nur, wenn geschulte Pflegetrupps im Einsatz sind und eine fachliche Begleitung der Maßnahmen erfolgt. Beim Amt für Umweltschutz wurde aus diesem Grund eigens eine Stelle geschaffen, die die Maßnahmenumsetzung begleitet. Zwei weitere Mitarbeiter beim Garten-, Friedhofs- und Forstamt tun dies in den verschiedenen Stadtbezirken.

So geschieht es derzeit bspw. auch am Lemberg, einem südexponierten Waldrand mit seltenen Pflanzenarten, die viel Licht und nährstoffarme Böden brauchen – zwei Haarstrang-Arten, Hügelklee, Färberginster oder Ästige Graslilie zum Beispiel. Die Freischneidearbeiten werden hier von einem geschulten Forstunternehmer ausgeführt, nachdem die wertvollen Pflanzenstandorte zuvor mit Pflöcken markiert wurden. Da das mitunter nicht ausreicht, um die Bestände seltener Arten zu sichern, hat man zudem auch Saatgut verschiedener Wildpflanzen vom Lemberg gewonnen, sie an der Staatsschule für Gartenbau in Hohenheim nachgezogen und als junge Pflanze wieder am Lemberg ausgepflanzt. So soll die Zahl besonders seltener Pflanzen erhöht und das Aussterberisiko verringert werden. Wie wirksam die Maßnahmen auch langfristig sind, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Ein wichtiger erster Schritt ist aber getan, um diesen floristisch wertvollen Standort im Lemberg zu schützen.

Das gilt für alle geschützten Biotoptypen im Stadtgebiet gleichermaßen. Bleiben sie mithilfe der regelmäßigen Pflege erhalten, bedeutet das größtmöglichen Schutz für alle dort heimischen Arten. Auch die anfangs erwähnte, streng geschützte Zauneidechse, die sich in vielen Biotopen Stuttgarts wohl fühlt – z.B. auf Streuobstwiesen, in Kleingärten, an Trockenmauern und auf Magerrasen – wird davon hoffentlich profitieren und sich wieder erholen.

 

Neue Top-E-Flächen in Planung

Es ist übrigens eine Erweiterung des Artenschutzkonzeptes um neue Top-E-Flächen geplant. Im nächsten Schritt sollen insbesondere Streuobstwiesen hinzukommen, damit diese in Zusammenarbeit mit den Landwirten und entsprechender Förderung fachkundig gepflegt werden können. Ein Ausblick, der positiv stimmt.

 

Herzlichen Dank an Frau Kockelke und Herrn Wagner vom Umweltamt für die Auskunft zum Artenschutzkonzept.

 

[1] Bericht Plenarsitzung des Weltbiodiversitätsrat 2019, IPBES/7/10/Add.1: https://www.ipbes.net/events/ipbes-7-plenary

[2] https://www.stuttgart.de/medien/ibs/Landeshauptstadt-Stuttgart-Artenschutzkonzepz.pdf

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb