In den USA tritt Ende November ein eigenartiges Phänomen auf. Zwei sogenannte „Feiertage“ finden nacheinander statt: Thanksgiving und Black Friday. Bei dem Ersten geht es, laut der vorherrschenden amerikanischen Erzählung, um Familienzeit, Dankbarkeit und Liebesaustausch, während der Zweite für das Gegenteil steht. Aber für viele Menschen sind das keine Feiertage. Besonders wenn man in der Dienstleistungsbranche zum Beispiel in den Lagerhäusern von Amazon arbeitet, wo obligatorische Überstunden Arbeitende gegen die Uhr ausspielen und sie zwingen 12-16 Stunden am Tag zu arbeiten.
Zum Hintergrund von Black Friday
Der Begriff „Black Friday“ tauchte erstmals in den 1960er Jahren auf, als die Polizei des US-Bundesstaats Philadelphia begann, sich über den Einkaufsansturm nach Thanksgiving zu beschweren (1). Seitdem hat sich der Tag nach Thanksgiving immer mehr zu einem Tag des Konsums entwickelt. Große Geschäfte senken die Preise für begehrte Artikel wie Fernseher oder Spielzeug, um Kunden in ihre Geschäfte zu locken. Der Gedanke dahinter ist, dass die Kunden nicht nur den 75-Euro-Fernseher kaufen, für den sie stundenlang in der Schlange gewartet haben, sondern ihren Einkaufswagen auch mit Spielzeug, Kleidung und Weihnachtsgeschenken füllen, von denen sie dachten, dass sie sie nie brauchen würden.
Zur aktuellen Entwicklung von Black Friday
Aber zunehmend scheinen die türbrechenden Massen der 2000er Jahre der Vergangenheit anzugehören.
In den letzten Jahren haben viele Ladenbesitzer ihre vergünstigten Angebote auf eine Zeitspanne von einigen Wochen rund um Thanksgiving ausgedehnt. Damit konnten sie ihre Umsätze insgesamt steigern, auch wenn die Umsätze an Black Friday selbst zurückgingen. Während es also scheint, als ob die Menschenmassen am Black Friday weniger werden, ist dies nicht der Fall. Tatsächlich gilt das Gegenteil. Black-Friday-Angebote haben sich auf die Tage vor Thanksgiving und die Wochen danach ausgeweitet, was zu einem stetigen Anstieg der Verbraucherausgaben und -beteiligung geführt hat. Außerdem hat sich im Online-Handel der sogenannte ‚Cyber Monday‘ als Schnäppchen-Tag kurz nach Thanksgiving etabliert. Er brachte 2020 einen Rekordumsatz von insgesamt 10,8 Milliarden US-Dollar ein. Das war ein Plus von 14 % in Vergleich zum Vorjahr und ein Plus von 36 % im Vergleich zum Jahr 2018 (2).
Aber was ist so schlimm an einem Tag, an dem Unternehmen ihre Preise senken, damit jeder die neuesten Geräte erhält?
Obwohl einige Leute es sich sicherlich nur am Black Friday leisten können, bestimmte Waren zu kaufen, erwerben viele der Verbraucher während des Black Friday unnötige Konsum- und Luxusgüter. Kurz gesagt, der Black Friday ermutigt Menschen, in einem Maß zu konsumieren, das schwerwiegende Folgen sowohl für die Umwelt als auch für unsere Gesellschaft hat: Im Fall der Umwelt haben Verpackung und Versand an Black Friday schwerwiegende Folgen. An Black Friday 2019 beteiligten sich in den USA 93,2 Millionen Käufer und 83,3 Millionen am Cyber Monday (3). Dieser Trend setzte sich auch bis zum Black Friday 2020 fort, dem zweitgrößten Tag der Online-Ausgaben in der Geschichte der USA, direkt nach dem Cyber Monday 2020 (4). Und mit dem Aufkommen des Online-Shoppings wird diese Zahl voraussichtlich nur weiter steigen. Dies bedeutet mehr abfallintensive Verpackung, mehr Kraftstoffverbrauch im Transportsektor, LKWs und Lieferwagen, die die Straßen auslasten, um diese Versandaufträge zu erfüllen. Nach diesen Aktionstagen bringt auch die Weihnachtszeit einen massiven Versandboom. Diese erhöhte Nachfrage nach Versandhandel trägt zunehmend zu den Emissionen des Transportsektors bei, der 24% der globalen CO2-Emissionen ausmacht (5). Zusammen mit dem Müll, der durch unerwünschte Geschenke und billig hergestellte Waren entsteht, die schnell verschleißen oder nach wenigen Anwendungen weggeworfen werden, sorgt der Konsum von Black Friday und Cyber Monday für negative Auswirkungen, sowohl für unseren Planeten, als auch für die Arbeiter, die unter Druck gesetzt werden, Bestellungen zu erfüllen und lange Stunden in Einzelhandelsgeschäften zu arbeiten.
In dem Phänomen von Black Friday und Cyber Monday spiegeln sich ernsthafte gesellschaftliche Probleme wider. Der Anstieg des unnötigen Konsums ist das Ergebnis eines kapitalistischen Wunsches nach ungehindertem Wachstum. Dies hat dazu geführt, dass eine Person nicht nach ihrer Fürsorge, ihrer Kreativität oder der Stärke ihrer Gemeinschaft bewertet wird, sondern danach, wie viele Waren sie angesammelt hat.
Noam Chomsky, in den USA zunächst ein revolutionärer Linguist in den 1950ern und seit den 1960ern einer der prominentesten Sozialkritiker des Landes, merkt an: „Ein großer Teil der Wirtschaft ist darauf ausgerichtet, diese Dinge aus den Köpfen der Menschen zu vertreiben. Damit sie Lust haben, einkaufen zu gehen, anstatt zu lesen.“ (6) Dieser Durst nach mehr wird durch das verursacht, was Chomsky als „created wants“ (dt. „geschaffene Wünsche“) bezeichnet (7), das Verlangen nach nutzlosen Objekten, die durch Werbung geschaffen wurden, die uns glauben lässt, dass sie uns, wenn wir sie kaufen, zu besseren, bewundernswerten oder erfolgreicheren Menschen machen. Es drängt die Verbraucher auch dazu, die moralische Frage zu ignorieren, ob es in Ordnung ist, bei einem Unternehmen wie Amazon einzukaufen, das von seinen Arbeitern verlangt 12 oder mehr Stunden am Tag zu arbeiten und über das ein Mitarbeiter schrieb, er fühle sich wie ein Wegwerfteil von einer Maschine. Und bei Krankheit wurde er gekündigt und schnell ersetzt (8). Black Friday und Cyber Monday sind angeblich gut für Menschen mit geringem Einkommen, aber tatsächlich tragen sie zur Ausbeutung von schwer arbeitenden Menschen bei. Obwohl diese Struktur für das Wohlergehen von Menschen, Gemeinschaften und der Umwelt schrecklich ist, ist sie für Unternehmen wie Apple und Amazon sicherlich eine hervorragende Möglichkeit, Gewinne zu erzielen. Die oberste Priorität eines Unternehmens, das am Black Friday seine Preise senkt, ist nicht den Geldbeutel seiner Kunden zu schonen oder die Umwelt zu schonen, sondern es ist ganz einfach, mehr Produkte zu verkaufen, um mehr Gewinne zu erzielen.
Können wir dem Black Friday etwas entgegensetzen?
Ja. Allerdings ist Black Friday nur ein Symptom einer zunehmenden Konsumkultur, nicht die Ursache. Wenn wir es so betrachten, gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, zum Beispiel:
- weniger neue Produkte kaufen, wenn möglich gebrauchte Waren
- unmoralisch und umweltzerstörend handelnde Unternehmen boykottieren
- eine Mentalität der Reparatur und Pflege von Gegenständen etablieren
Im Wesentlichen besteht es daraus, dass wir versuchen uns nicht an der umweltschädlichen Konsumkultur zu beteiligen, in der wir leben. Aber weil wir immer noch in dieser Kultur leben, sind das ein sehr schwieriges Unterfangen. Neben kurzfristigen, individuell ausgerichteten Aktionen ist also eine stärkere Beteiligung an den bereits bestehenden Bewegungen für soziale und Umwelt-Gerechtigkeit eine gute Möglichkeit sich einzubringen. Solche Bewegungen und Verbände, wie zum Beispiel der BUND, setzen sich sowohl für unsere kulturellen Werte als auch gegen die Ausbeutung in Lieferketten und den übermäßigen Konsum ein. Wer direkt vor Ort in Stuttgart etwas tun möchte, kann sich in zahlreichen Arbeitskreisen des BUND Kreisverband Stuttgart einbringen, z.B. in den Bereichen plastikfrei Leben, lebenswerte Stadt, aber auch in den Bereichen nachhaltig Einkaufen und nachhaltige Ernährung bis hin zu Themen der Energiewende. Praktische Tipps um den Alltag nachhaltiger zu gestalten, ganz im Sinne des Konsumreduzierens finden sich in der Rubrik Zuhause for Future (9).
Quellen:
- www.britannica.com/story/why-is-it-called-black-friday
- www.statista.com/chart/7045/thanksgiving-weekend-e-commerce-sales/
- spendmenot.com/blog/black-friday-sales-statistics/
- digitalintheround.com/black-friday-vs-cyber-monday-statistics/
- www.iea.org/reports/tracking-transport-2020
- youtu.be/GYoKRS_eWZY
- youtu.be/LdfI9KDD1ec
- https://www.businessinsider.com/amazon-warehouse-worker-savages-working-conditions-in-guardian-op-ed-2018-11
- https://www.bund-stuttgart.de/angebote/zuhause-for-future/