BUND Kreisverband Stuttgart

Das Kesselrauschen

28. April 2021

Anlässlich des Tags gegen Lärm geht es heute bei uns darum, wie laut es in Stuttgart tatsächlich ist, was Lärm mit uns macht und wie wir den Lärmpegel in unserer Stadt verringern können.

Blick vom Birkenkopf auf die Stuttgarter Innenstadt (Bildquelle: BUND KV Stuttgart)

Wer zu Fuß oder mit dem Fahrrad am Rande unseres Stuttgarter Talkessels unterwegs ist, kann es nicht überhören: das Kesselrauschen. Aus der Innenstadt dringt das monotone Geräusch von Autokarawanen an den Hängen empor. Manchmal ist es garniert mit dem rhythmischen Hämmern eines Presslufthammers, dem Quietschen einer Stadtbahn oder dem jähen Aufheulen eines Motorrads. In der Innenstadt tönt dieselbe Geräuschkulisse und auch viele Außenbezirke Stuttgarts werden vom Verkehr auf unseren Autobahnen und Bundesstraßen, von unseren Industriebetrieben und vom Flugverkehr beschallt.

Manche sind von der Geräuschkulisse Stuttgarts einfach nur genervt. Andere wiederum nehmen die permanente Beschallung als Begleiterscheinung unseres Großstadtlebens in Kauf. Anlässlich des Tags gegen Lärm am 28. April haben wir das Thema „Lärm in Stuttgart“ etwas unter die Lupe genommen:

Was ist Lärm und was macht er mit uns?

Was jemand als Lärm empfindet, ist eine sehr persönliche Sache: Manche Menschen fühlen sich schon vom Ticken einer Uhr belästigt, andere hingegen können in ihrer Wohnung direkt neben einer Hauptverkehrsstraße ungestört schlafen. Ob jemand ein Geräusch als Lärm wahrnimmt, hängt nicht nur von physikalischen Parametern wie der Lautstärke und der Tonfrequenz des Geräuschs ab, sondern auch von der Dauer des Geräuschs und von verschiedenen persönlichen Parametern wie zum Beispiel vom Alter, vom Geschlecht oder von der umweltpolitischen Einstellung der betroffenen Person [1].

Eine Umfrage des Bundesumweltamts ergab, dass sich 75 % der Befragten vom Straßenverkehrslärm, 60 % vom Nachbarschaftslärm, 42 % vom Industrie- und Gewerbelärm, 42 % vom Flugverkehrslärm und 35 % vom Schienenverkehrslärm gestört oder belästigt fühlten [2].

Wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass Lärm nicht nur Gehörschäden verursachen kann, sondern auch Verengungen der Herzkranzgefäße und Bluthochdruck. Außerdem kann Lärm Schlafstörungen und ein chronisches Unwohlsein hervorrufen. Bei Kindern kann Lärm auch zu Verzögerungen beim Erwerb des Hörverständnisses sowie beim Erlernen des Lesens führen. Angesichts dessen empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beispielsweise, den Lärmpegel durch Straßenverkehrslärm durchschnittlich auf 53 Dezibel (dB) und nachts sogar auf 45 dB zu begrenzen. Diese Empfehlung geht weit über die in der Verkehrslärmschutzverordnung genannten Schwellenwerte von 70 dB tagsüber bzw. 60 dB nachts hinaus [3].

Wie laut ist es in Stuttgart tatsächlich?

Alle fünf Jahre müssen Ballungsräume mit mehr als 250.000 Einwohner*innen die Belastung durch Umgebungslärm erfassen und in Form von Lärmkarten darstellen [4]. In Stuttgart geschah dies zuletzt im Jahr 2017 [5,6]. Dem zugehörigen Bericht ist zu entnehmen, dass die mit Abstand größte Lärmquelle in Stuttgart der Straßenverkehr war: Tagsüber waren mehr als 107.000 Menschen – also mehr als jeder sechste in Stuttgart lebende Mensch – einer Lärmbelastung durch den Straßenverkehr ausgesetzt, die über dem von der WHO empfohlenen Schwellenwerten liegt. Auch nachts blieb mehr als jede*r Neunte nicht davon verschont. Wenig überraschend ist, welche Stadtgebiete am meisten unter dem Straßenverkehrslärm zu leiden haben: Teile der Innenstadt und Gebiete in der Nähe unserer Bundesstraßen.

Auch die zweit- und drittgrößten Lärmquellen in Stuttgart hingen mit dem Verkehr zusammen: der Eisenbahn- und der Stadtbahnverkehr. Auch wenn die Lärmbelastung durch Gewerbebetriebe und den Flughafen vergleichsweise wenige Menschen in Stuttgart betraf, dürfte sie für viele Betroffene sehr belastend sein.

Basierend auf der Lärmkartierung 2017 wurde geschätzt, dass die lärmbedingten Gesundheitskosten für Stuttgart mehr als 17 Millionen Euro pro Jahr betragen. Davon entfielen alleine 13,5 Millionen Euro pro Jahr auf den Straßenverkehr. Diese lärmbedingten Gesundheitskosten sind

  • Kosten für die medizinische Behandlung von lärmbedingt erkrankten Menschen,
  • Kosten für die medizinische Behandlung von Menschen, die aufgrund lärmbedingter Konzentrationsstörungen einen Unfall hatten, und
  • Kosten die dadurch entstehen, dass die erkrankten oder verunfallten Personen zeitweise oder dauerhaft nicht als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.

Was können wir tun, um den Lärmpegel in Stuttgart zu verringern?

Dass wir unseren Nachbar*innen einen Gefallen tun, wenn wir sie nicht übermäßig beschallen, und wie sich Streitigkeiten über Geräuschpegel in der Nachbarschaft vorbeugen und klären lassen, ist ein erschöpfendes Thema, das an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden soll. Vielmehr soll es darum gehen, was wir tun können, um unser Kesselrauschen abzumildern.

Nachdem die größten Lärmquellen in Stuttgart der Straßenverkehr und der Schienenverkehr sind, ist klar, wo wir zu diesem Zweck am besten ansetzen sollten: bei unserem Mobilitätsverhalten, bei Mobilitätsangeboten und beim Lärmschutz an Straßen und Schienen. „Wir“ heißt Du, ich und jede*r andere! Deshalb:

Bringe Dich in politische Entscheidungen ein!    
Die Themen „Mobilitätsangebote“ und „Lärmschutz“ sind politische Themen: Ob der Bau einer neuen Straße auf den Weg gebracht wird, ob der Öffentliche Personennahverkehr ausgebaut wird, ob Fahrradwege entstehen, ob bauliche Lärmschutzmaßnahmen an Straßen und Schienen vorgenommen werden oder wie schnell Straßenfahrzeuge und Schienenfahrzeuge fahren dürfen, wird im Grundsatz in politischen Gremien entschieden. Doch auch Du kannst solche Entscheidungen beeinflussen, indem Du Dich in entsprechenden Interessensgruppen engagierst oder indem Du Politiker*innen Deine Meinung kundtust.

Überdenke Dein Mobilitätsverhalten!  
Es liegt an Dir, wie Du Deine Wege bewältigst: mit dem eigenen SUV, Kleinwagen oder Moped, mit einer Fahrgemeinschaft, mit Bus und Bahn, mit dem Pedelec, mit dem Fahrrad oder zu Fuß? Überlege Dir auch, wie Du die Anzahl und die Länge Deiner Wege verringern könntest: Kannst Du auch „nach Corona“ regelmäßig aus dem Home Office arbeiten? Könntest Du näher an Deinen Arbeitsort ziehen oder Dir eine Arbeit suchen, die näher an Deinem Wohnort liegt?

 

[1] Prof. Dr. Kerstin Giering im Auftrag des Umweltbundesamts: Lärmwirkungen – Dosis-Wirkungsrelationen, 2010, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/461/publikationen/3917_0.pdf

[2] https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm

[3] Umweltbundesamt: WHO-Leitlinien für Umgebungslärm für die Europäische Region, 2019, https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/umgebungslaermrichtlinie

[4] §47c BImSchG (Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG))

[5] Landeshauptstadt Stuttgart: Ergebnisse der Lärmkartierung Stuttgart 2017, 2017, Download unter https://www.stadtklima-stuttgart.de/index.php?laerm_laermkartierung

[6] https://www.stadtklima-stuttgart.de/index.php?laerm_laermkartierung_karten_Stgt_2017

 

Über unseren Autor: Sascha Grob gehört zum Redaktionsteam des BUND Stuttgart. Der Verfahrenstechniker setzt sich für den Natur- und Klimaschutz ein und ist gerne mit dem Fahrrad unterwegs.

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