Kreisverband Stuttgart
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E-Mail an Herrn Kotz: CDU-Veto gegen Novellierung Straßenverkehrsgesetz - Ein Schlag gegen die Stuttgarter Bürger*innen

04. Januar 2024

Von: BUND Kreisverband Stuttgart
Gesendet: Donnerstag, 4. April 2024 23:21
An: CDU-Gemeinderatsfraktion
Betreff: CDU-Veto gegen Novellierung Straßenverkehrsgesetz - Ein Schlag gegen die Stuttgarter Bürger*innen

Sehr geehrter Herr Kotz,

die aus dem Kfz-Verkehr resultierenden Probleme in Stuttgart sind vielfältig, wobei deren Lösung von einer veralteten Rahmengesetzgebung – dem Straßenverkehrsgesetz – behindert oder gar unmöglich gemacht wird. Diese Probleme sind auch nicht abstrakter Natur, sondern betreffen in verschiedener Weise alle Stuttgarter*innen. Im Folgenden haben wir nur die Drängendsten zusammengestellt:

75000 Stuttgarter*innen leben an Straßen mit gesundheitsgefährdendem Lärm und ein zügiges Einführen von flächendeckend Tempo 30 nachts ist nicht absehbar.

Mit der Einführung von Tempo 30 in den Nachtstunden auf dem Vorbehaltsstraßennetz könnten die Anwohner ruhiger schlafen, hätten weniger Stress und wären insgesamt gesünder. Das aktuelle Straßengesetz in Verbindung mit der Straßenverkehrsordnung fördert das zügige Autofahren mit Tempo 50 oder mehr. Damit liegt der reale Lärm an den Vorbehaltsstraßen nochmals deutlich höher.

Nun hat die Straßenverkehrsbehörde in einigen Stadtbezirken Tempo 30 nachts angeordnet. Diesen Anordnungen gingen jahrelange bürokratische Prozesse voraus, die im Wesentlichen auf einem Straßenverkehrsgesetz basieren, das die Leichtigkeit des Verkehrs neben der Sicherheit als das zentrale Ziel festschreibt. Weitere Ziele gibt es nicht, weil dieses Gesetz in seinem Kern noch auf dem Reichsstraßengesetz basiert, das die Förderung der Massenmotorisierung zum Ziel hatte. Diese fehlenden Ziele wie Umwelt- und Gesundheitsschutz erschweren eine Vereinfachung und beschleunigte Anordnung von Tempo 30 nachts.

Ihre Aussage im Ausschuss für Klima und Umwelt, wonach die Bürger in ihrer Wohnstraße Tempo 30 möchten und sonst Tempo 50 fahren wollen, halten wir für falsch, weil sie Meinungsumfragen widerspricht und von der Verantwortung der Politik und Verwaltung ablenkt, die Missstände anzugehen. Es ist gerade die Aufgabe der CDU gemeinsam mit den anderen Fraktionen bei den Bürgern dafür zu werben, dass dem automobilen Laissez-faire zu Lasten des Gemeinwohls Einhalt geboten wird.
 

Schüler*innen bleiben auf ihren Schulwegen weiterhin unnötigen Gefahren durch zu schnell fahrende Autos und Elterntaxis ausgesetzt

Die Bereiche in denen Tempo 30 um die Schulen angeordnet werden dürfen, sind viel zu eng gefasst. Auf längeren Strecken sind die Kinder häufig mit Straßen konfrontiert auf denen Tempo 50 gefahren werden darf. Selbst wenn Unfallgefahren seitens Eltern oder der Schule identifiziert werden, ist eine vorbeugende Reduzierung der Geschwindigkeit auf Tempo 30 kaum möglich. Erst wenn tatsächlich Unfälle passieren und Kinder zu Schaden kommen, beginnt ein langwieriger Abwägungsprozess der Straßenverkehrsbehörden zu Tempo 30 oder anderen verkehrsbeschränkenden Maßnahmen, weil die Leichtigkeit des Autoverkehrs gleichrangig mit den Sicherheitsbelangen ist.

Auch Elterntaxis führen zu einer Gefährdung der Schüler*innen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad in die Schule kommen. Hilfreich wären temporäre Schulstraßen, wie sie gerade vom Städtetag vorgeschlagen wurden und während der morgendlichen „Schüler-Rush-Hour“ das Einfahren von Autos in die zu den Schulen führenden Straßen untersagt. Diese auch für die Sicherheit und Entwicklung der Schüler*innen wichtigen Maßnahmen können heute nur mit rechtlich angreifbaren Hilfskonstruktionen durch aufgeschlossene Straßenverkehrsbehörden angeordnet werden.
 

Radfahrende bleiben weiterhin gefährdet durch Tempo-50-fahrende Autos

Die Stadt hat ihre Anstrengungen deutlich verstärkt, moderne Radverkehrsanlagen zu errichten. Interessanterweise hat die CDU fast alle Projekte abgelehnt, wobei dies für sich genommen schon ein zentrales Problem für die Stadt ist, wenn sich die CDU als zweitgrößte Fraktion so klar gegen die Radfahrenden stellt. Mindestens genauso kritisch ist die generelle Ablehnung von Tempo 30 auf den Vorbehaltsstraßen durch die CDU zu sehen, die dazu führt, dass Radfahrende gefährdet sind oder sich unsicher fühlen, wenn sie im Mischverkehr mit den Autos geführt werden müssen. Auch hier lässt das derzeit gültige Straßengesetz kaum Spielraum für Geschwindigkeitsreduzierung, da wegen einer abstrakten Gefährdung von Radfahrenden kein Tempo 30 angeordnet werden darf. Hier gilt dasselbe wie zuvor bei den Schülern.
 

Fußverkehrskonzepte können schwieriger umgesetzt werden

Stuttgart ist dabei, mit den Fußverkehrsrouten in den Stadtbezirken, das zu Fuß gehen attraktiver zu machen und so den Stuttgarter*innen Alternativen zur Kurzstreckenfahrt mit dem Auto anzubieten. Jede Fußgängerroute lebt aber von einer zügigen und sicheren Querung des Vorbehaltsstraßennetzes. Hier spielen die Fußgängerüberwege (Zebrastreifen) eine besondere Rolle. Heute ist die Einrichtung von Zebrastreifen wegen bürokratischer Vorschriften nur schwer möglich, weil entweder zu viele Fußgänger oder zu viele Autos die Einrichtung verbieten. Hier hätte die Novellierung des Straßenverkehrsgesetzes mit der geplanten Anpassung der Straßenverkehrsordnung Abhilfe schaffen sollen.

Klimaanpassung kennt das Straßenverkehrsgesetz nicht

Als das Reichsstraßengesetz geschrieben wurde, hatte man andere Sorgen als die Umwelt und die Klimaproblematik war unbekannt. Heute ist der Klimaschutz im Allgemeinen und die Klimaanpassung von Stuttgart im Besonderen zwingend, um die Überlebensfähigkeit der Stadt zu sichern. Wir möchten jetzt nicht auf die Haltung der CDU beim Eduard-Pfeiffer-Platz eingehen, wo der Wegfall von sieben, heute teilweise illegalen Parkplätzen zu Gunsten von Bäumen und einer attraktiven Platzgestaltung Züge eines Kulturkampfs erkennen lassen. Vielmehr richtet sich unser Blick auch hier auf die Komplexität, in Gebieten mit hohem Parkdruck Parkplätze zu Gunsten von Grünflächen wegzunehmen, damit die überlebensnotwendige Schwammstadt mit Bäumen zur Beschattung realisiert werden kann. Auch hier behindert das Straßenverkehrsgesetz die Verwaltung.

Die CDU-Landtagsfraktion mit ihrem Fraktions- und Landesvorsitzenden Manuel Hagel hat im November letzten Jahres ihr Veto gegen die Novellierung des Straßenverkehrsgesetzes eingelegt und die Grünen wegen der Bundesratsklausel im Koalitionsvertrag gezwungen, sich bei der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat zu enthalten, was einer Ablehnung gleichkommt. Nur ausgewiesenen Expert*innen im Verkehrsbereich dürfte die Tragweite des CDU-Handelns klar geworden sein. Die Bürger*innen werden sich hingegen fragen, warum alles so kompliziert ist und so lange dauert. Sie werden dies mit allem aber nicht mit der CDU in Verbindung bringen, weil sie die oben genannten Sachverhalte nicht kennen. Wir vom BUND Kreisverband Stuttgart haben uns vorgenommen, hier für Transparenz zu sorgen, da nun die Folgen sichtbar werden.

Wir appellieren an die CDU-Gemeinderatsfraktion, dass sie sich bei der CDU-Landtagsfraktion und besonders bei ihrem Vorsitzenden Manuel Hagel dafür einsetzt, dass Baden-Württemberg zusammen mit den Bundesländern, die die Novellierung des Straßenverkehrsgesetzes und –verordnung unterstützten, den Vermittlungsausschuss anruft, damit das Straßenverkehrsgesetz noch verabschiedet werden kann. Es müsste auch im Interesse der Stuttgarter CDU sein, der Stadt die Freiräume zu geben, die sie angesichts der vor uns stehenden Herausforderungen benötigt.

Mit freundlichen Grüßen

Clarissa Seitz                                                                       Thomas Baur

Kreisvorsitzende BUND Kreisverband Stuttgart             Verkehrspolitischer Sprecher

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