BUND Kreisverband Stuttgart

Der wahre Preis unserer Importware

02. August 2021 | Globale Gerechtigkeit, Fair-Trade

Im Supermarkt stehen uns das ganze Jahr über frische, makellose Lebensmittel aus allen Regionen der Welt zur Verfügung. Viele Exoten wie Bananen und Kaffee sind zu einer Selbstverständlichkeit in deutschen Haushaltsregalen geworden. Doch welche Auswirkungen hat die ständige Verfügbarkeit importierter Lebensmitteln für uns und den Rest der Welt? Inwiefern beeinflusst Dein Einkauf hier das Leben der Menschen des Ursprungslandes?

Nach Angaben des statistischen Bundesamts betrug der wertmäßige Import von Nahrungsmitteln nach Deutschland im Jahre 2019 etwa 49,2 Mrd. Euro. Das hat enorme Auswirkungen auf das Klima und die Menschen entlang der Lieferkette. Dass es in Deutschland das ganze Jahr über alle Arten von Gemüse und Früchten zu kaufen gibt, ist ein Luxus, der einen hohen Preis hat!  Drei Erden wären nötig, um der gesamten Weltbevölkerung unseren Lebensstandard zu ermöglichen. Der ständige Überfluss an Lebensmitteln hat die Bevölkerung regelrecht blind für den Aufwand und die Ungerechtigkeit gemacht, die sich hinter vielen Produkten verbergen. Im folgenden Artikel erfährst Du mehr über die Auswirkungen unseres Lebensmittelkonsums und erhältst wertvolle Tipps, wie Du dein Konsumverhalten mit einfachen Maßnahmen nachhaltiger gestalten kannst.

CO2, Schwefeloxide; Pestizide und andere Übeltäter

Leicht verderbliche Lebensmittel aus Übersee, wie etwa Früchte, Gemüse, Fleisch oder Fisch, werden mithilfe von Flugzeugen transportiert. Laut einer Studie des Instituts für alternative und nachhaltige Ernährung landen täglich mindestens 140 Tonnen importierte Lebensmittel aus Übersee mit dem Flugzeug in Deutschland. Dieser enorme CO2 Ausstoß hat erhebliche Auswirkungen und befeuert die Klimakrise.
Vom Flugzeug auf Schiffe auszuweichen ist leider auch nicht immer die beste Lösung. Denn frische Ware, die mit dem Frachtschiff nach Europa gelangt, hat zwar eine niedrigere CO2-Bilanz, dafür aber hohe Schwefeloxid-Emissionen, die extrem giftig sind. Zusätzlich werden die Früchte und das Obst unreif gepflückt, die Ware muss energieaufwendig gelagert werden und später in Lagerhallen mit bestimmten Gasen zum nachreifen gebracht werden. Außerdem sorgen die riesigen Frachtschiffe oftmals für große Unruhen bei den Meeresbewohnern und sind für Müll und andere Schadstoffe wie Schweröle im Meer verantwortlich. Es gibt zwar bereits innovative Frachtschiffe, die mit Wind- und Solarkraft arbeiten und damit Öl einsparen, das ist aber leider noch die Ausnahme. Die gute Nachricht: Es gibt die Alternativen, sie müssen nur noch gefördert und zur Norm gemacht werden.

Ein weiterer Grund, kritisch im Umgang mit importierten Lebensmitteln aus Übersee zu sein, ist die erheblich höhere Pestizidbilanz. In den Herkunftsländern gelten meist höhere Grenzwerte als hierzulande - das ist nicht nur doppelmoralisch, sondern geht auch zu Lasten der örtlichen Bevölkerung und Natur.

  

Die Menschenrechtsverletzungen
 

Die Vorteile des globalen Lebensmittelhandels für uns liegen auf der Hand: Wir können essen, worauf wir Lust haben, und unsere Wirtschaft profitiert von den Lebensmittelexporten, die wiederum von Deutschland aus in die weite Welt hinaus verschickt werden. Es ist leicht, hierbei die Gefahren für uns und andere auszublenden. Viele ausländische Lebensmittel kommen aus Ländern mit schwächeren Regulierungen zum Nachteil von Umwelt- und Menschen. Das hat zur Folge, dass die Ressourcen von großen Konzernen aufgekauft werden und Landraub (das sogenannte „Land-Grabbing“) legitimiert wird. Die Rohstoffe stammen meist aus dem Globalen Süden, die Weiterverarbeitung findet aber meist in den Industrienationen statt, dort liegt die höchste Wertschöpfung, Rohstoffpreise werden gedrückt. Ist es nicht absurd, dass beispielsweise das Geschäft mit Kakao mehrere Milliarden Euro schwer ist, die Herstellungsländer und ihre Landwirt*innen aber in Armut versinken?

Die Landwirt*innen vieler Exportnationen haben oft keinen Zugang zu Bildung und keine Möglichkeit, das Geschäft hinter ihrem landwirtschaftlichen Anbau zu regulieren. Sie beugen sich den viel zu niedrigen Kaufpreisen der Händler*innen. Die Händler*innen und Verarbeitungsindustrien sind ständig auf Gewinnmaximierung aus. So kommt es überall auf der Welt dazu, dass die Menschen für unsere Konsumgüter ausgebeutet werden. Da die Großkonzerne eine so enorme Kaufmacht haben, können sie die Preise stets drücken und den Wettbewerb hierzulande befeuern. In diesem Wettbewerb tragen auch wir Konsument*innen in Deutschland Verantwortung: Wir entscheiden uns schließlich meist für das günstigste Lebensmittel.

Der Missstand führt aber noch weiter: Die einheimisch erzeugten Lebensmittel werden aus diesen Nationen größtenteils ausschließlich exportiert. Die einheimische Bevölkerung kann sich die Exportware nicht leisten und lebt stattdessen von Waren mit niedriger Qualität oder importiert ihrerseits noch billigere Ware. So spielt es sich beispielsweise mit dem Quinoa aus Peru oder dem Zuckerrohr in Brasilien ab. Das führt zu einer enormen Armut und Unterernährung in der Bevölkerung der Erzeugerländer. Außerdem fallen diese Länder dadurch in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von den Industriestaaten bzw. den Großkonzernen und können nur schwer eine eigene, menschengerechte Wirtschaft aufbauen. Hinzu kommt, dass einige wenige, meist korrupte Staatsoberhäupter in diesen Ländern auch von der Ausbeutung ihrer Bevölkerung profitieren und die Ressourcen sowie Land an große Unternehmen verkaufen.

Die Verantwortung der Konsument*innen

Als Konsument lohnt es sich bei ALLEN Importwaren auf Schutzsiegel wie Fair-Trade zu achten. Glücklicherweise gibt’s nämlich einige Unternehmen, die sich für den Umweltschutz und für das Wohl der Arbeiter*innen und teilweise auch darüber hinaus einsetzen. Bei Fair-Trade-Produkten bekommen die Landwirt*innen und Arbeiter*innen ein geregeltes Mindesteinkommen und, falls der Marktpreis gerade höher ist, auch noch die jeweiligen Zuschüsse. Des Weiteren gibt es in manchen Unternehmen sogenannte Fair-Trade-Prämien, durch welche Bildungs- und Infrastrukturprojekte ermöglicht werden. Bei Rapunzel Hand-in-Hand Siegel wird meist die ganze Familie oder sogar die ganze Dorfgemeinschaft unterstützt. So haben die Arbeiter*innen und ihre Kinder die Chance auf Bildung und die gesamte Dorfgemeinschaft profitiert von einer verbesserten Infrastruktur Eine Tabelle mit den wichtigsten Schutzsiegeln findest Du hier.

 

Die Umweltzerstörung

Eine Voraussetzung für die globalen Massenexporte, wie sie derzeit betrieben werden, ist die monokulturelle Landwirtschaft. Bei dieser wird auf einer großen Fläche nur eine einzige Nutzpflanzenart über mehrere Jahre hintereinander angebaut. Sie beansprucht große Anbauflächen, die vor allem entlang des Äquators durch Regenwaldabholzung entsteht. (Mehr dazu unter Regenwald). Die großen Flächen können meist nur noch mit Hilfe von starken Düngemitteln und großen Mengen von Pestiziden bewirtschaftet werden. Die einseitige Bepflanzung macht den Boden regelrecht unfruchtbar und die Ausbreitung der landwirtschaftlichen Felder bedroht die Artenvielfalt.
Diese schädliche Landausnutzung und die damit einhergehende Klimakrise entstehen größtenteils durch die hohe Nachfrage nach Fleisch, Palmöl, Kakao und anderen Importwaren der Industrienationen und gehen auf Kosten der Natur und ihrer Vielfalt. Die Auswirkungen dieser Krise, wie etwa Stürme, Überflutungen, Dürre und Hurrikans bekommen die Staaten auf der Südhalbkugel aber meist früher und stärker zu spüren. Weltweit sind die Landwirt*innen bereits mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert: Wasserknappheit, erhöhter Schädlingsbefall, Erosion und schwindende Bodenunfruchtbarkeit.

Verbraucher*innen können auch hier wieder einiges tun, um das zu ändern! Der Kauf von Produkten aus ökologischer Erzeugung, gerade auch aus dem Ausland, ist ausschlaggebend. Die ökologische Landwirtschaft spart sehr viel Energie ein und schont die Umwelt. Es gibt verschiedene Programme für ökologische Landwirtschaft, die den Arbeiter*innen beibringen, wie sie beispielsweise Agroforstwirtschaft betreiben können, wie sie mit Nützlingen statt Pestiziden arbeiten oder durch Zwischensaaten die Bodenfruchtbarkeit erhalten. Das führt zu einem höheren Bewusstsein für Natur und Umwelt seitens der Bevölkerung sowie der Landwirt*innen. Außerdem sorgen die höheren Verkaufspreise ökologischer Erzeugnisse für ein geregeltes Einkommen und damit eine Existenzsicherung. Eine Tabelle zu den ökologischen Siegeln findest Du hier.

Was muss sich ändern?

Wir brauchen einheitliche Handelsgesetze, die in erster Linie die Menschen und die Umwelt schützen. Die Erzeuger*innen sollten mehr Geld für ihre Ware bekommen, denn den höchsten Profit schlagen immer noch die Händler*innen raus. Ein Lieferkettengesetz und CO2- sowie Ressourcensteuer würde hier bereits einiges nachhaltig verändern. Ein Lieferkettengesetz wurde nun endlich verabschiedet, doch leider entstehen auch hier wieder große Kompromisse zugunsten der Wirtschaft. Mehr Informationen zu dem verwässerten Lieferkettengesetz findest Du hier.
Wir brauchen einen Strukturwandel in der Politik: sie muss in erster Linie die Menschen und ihre Lebensgrundlage, die Umwelt, schützen. Das Prinzip von einer freien Wirtschaft muss zu einer fairen Wirtschaft umgewandelt werden. Nur so können Mensch und Natur nachhaltig geschützt werden. Die staatliche Förderung von umweltfreundlichen und fairen Unternehmen muss ausgebaut werden.  Des Weiteren müssen die Waren transparent gekennzeichnet sein, beispielsweise mit Angaben zum CO2-Ausstoß, zum Pestizid- und Düngereinsatz sowie den Arbeitsbedingungen. Wir Konsument*innen sollten wissen, worauf wir uns beim Kauf eines Produkts einlassen.

 

Unser Verhältnis zu Nahrung


Wir haben keinerlei Gefühl mehr für die Herstellungsprozesse unserer Lebensmittel und den Aufwand dahinter. Das spiegelt sich auch in den Lebensmittelausgeben der Deutschen wieder. Nur 10 % des Haushaltseinkommens sind wir im Schnitt bereit, für unsere Nahrung auszugegeben, während es im Jahre 1950 noch 50 % waren. Dabei sind Lebensmittel die Grundlage unserer Gesundheit, unserer Lebensqualität, ja unserer Existenz!

Es ist also auch hier Zeit für einen Wandel: Unser Konsum muss umweltfreundlicher, nachhaltiger und menschenfreundlicher werden. Das ist möglich, indem wir die Lebensmittel gerecht aufteilen, die gesamte Lieferkette gleichberechtigt berücksichtigen und neue Wege in Zusammenarbeit mit allen Ländern und der Natur finden. Die Verbraucher*innen dürfen ihre Rolle in der Lebensmittelproduktion nicht unterschätzen. Die Nachfrage macht das Produkt. Wenn Du Dich also für nachhaltige und gerecht erwirtschaftete Produkte entscheidest, trägst Du direkt zu der Förderung einer nachhaltigeren Landwirtschaft und Handelskultur bei. Bleib informiert und tausche Dich mit Freunden und Familie aus. Letztendlich sind wir alle Teil dieser wunderschönen Welt und können einen Weg finden, gleichberechtigt und im Einklang mit der Natur zu leben, zu wirtschaften und zu handeln. Einfache Tipps, was Du konkret tun kannst erfährst du in unserm Artikel: Tipps für den Kauf von Importware.

 

 

 

 

 

Quellen:

https://www.daserste.de/information/ratgeber-service/haushaltscheck/27102014-der-haushalts-check-1-100.html

https://thebirdsnewnest.com/wie-nachhaltig-ist-der-konsum-von-exotischen-fruechten/

https://www.pik-potsdam.de/en/topics/land-use-food-water-ecosystems

http://www.evb-online.de/schule/B_14_Handelsklassen%20und%20Vermarktungsnormen.pdf

https://www.urgeschmack.de/nahrstoffgehalt-sinkt/

https://www.drlico.com/schneller-groesser-suesser/

https://www.n-tv.de/ratgeber/Ist-Bio-immer-die-bessere-Wahl-article20631131.html

https://www.bmel-statistik.de/aussenhandel/deutscher-aussenhandel/

https://eatsmarter.de/ernaehrung/bio-lebensmittel/enthaelt-bio-naehrstoffe

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