BUND Kreisverband Stuttgart

Interview ohne PlaPla

16. März 2021 | Fair-Trade, Lebenswertes Stuttgart, Lieferkette, Nachhaltigkeit, Plastikfrei leben

Seit Oktober 2020 ist die Stuttgarter Innenstadt um eine nachhaltige Adresse reicher: die erste unverpackte Drogerie ohne PlaPla direkt am Schlossplatz. Wir haben mit dem Inhaber Hergen Blase darüber gesprochen, wie es zu der Geschäftsidee kam und wie das erste halbe Jahr lief. Außerdem hat er uns seine Lieblingsprodukte und seine Vision für unsere Stadt verraten.

Carina vom Redaktionsteam steht mit Besitzer Hergen im Ohne Pla Pla Shop in Stuttgart Carina vom Redaktionsteam hat das Interview mit Hergen Blase coronakonform auf Abstand im Laden geführt. Bild: Ohne PlaPla

BUND: Hergen, erst im Oktober 2020 hast Du die ohne PlaPla Drogerie eröffnet, wie wird diese bisher von den Stuttgartern angenommen?

H.B.: Die erste Resonanz war großartig, der Laden wurde toll angenommen. Wir hatten einen großen Kundenzulauf von Jung bis Alt, die sehr begeistert waren, dass es so etwas jetzt in Stuttgart gibt, vor allem in dieser zentralen Lage.
 

In Ludwigsburg hast Du bereits einen Unverpackt Laden, welche Beweggründe brachten Dich zu solch einem Konzept?

Das hängt auch mit meiner Arbeit davor zusammen. Ich war 18 Jahre bei Kaufland tätig und war dort zehn Jahre für das Thema Nachhaltigkeit, CSR (Corporate Social Responsibility) zuständig. Somit war ich da dann auch entsprechend mit sozialen und ökologischen Themen im Lebensmittelhandel beschäftigt. Ein Thema waren Plastikverpackungen, welches auch dort immer mehr in den Fokus geriet. Dadurch habe ich mich immer mehr für Unverpackt-Läden interessiert und die ersten Eröffnungen verfolgt. Nachdem die „Beziehung“ mit Kaufland zu Ende war, kam für mich eine Tätigkeit in einem größeren Unternehmen nicht mehr in Frage. Ich wollte mir etwas Eigenes aufbauen, selbst Entscheidungen für Mensch und Umwelt treffen, etwas aus meiner Sicht Sinnvolles auf den Weg bringen. Wichtig war für mich, weiterhin mit Lebensmitteln bzw. Gütern des täglichen Bedarfes zu arbeiten und das ganz klar in Verbindung mit Nachhaltigkeit. So entstand die Idee, in Ludwigsburg einen Unverpackt-Laden zu eröffnen. Und dann haben wir das Ganze schnell auf den Weg gebracht.
 

Wie ist dann die Idee für die plastikfreie Drogerie entstanden?

Das war Zufall und nicht geplant. In dieser schwierigen Situation, in der wir uns momentan ja alle befinden, haben auch wir als Unverpackt-Laden zu kämpfen. Dann kam im Juni 2020 Markus Beck, der Inhaber von Greenality, auf mich zu und meinte, dass bei ihnen eine Ladenfläche frei wäre und ob wir nicht gerne als Untermieter einziehen möchten. Für Lebensmittel stellte sich der Laden als zu klein heraus, da zudem auch keine entsprechende Lagerfläche vorhanden ist. Da kam mir der Gedanke, dass ein umweltfreundliches Drogerie-Konzept doch ein interessantes und spannendes Thema wäre, da in diesem Bereich viel Plastikmüll entsteht und was es auch in der Art noch nicht gibt. Aus den Erfahrungen in Ludwigsburg sollte dieses Konzept in einer Großstadt wie Stuttgart funktionieren. Und dazu noch in Nachbarschaft zu Greenality, mit einer nachhaltig-affinen Stammkundschaft, bietet sich das doch wunderbar an. Somit habe ich mich im Juli für die Gründung des Ladens entschieden und im Oktober eröffnet.

 

Wenn jemand noch nie in Eurem Laden oder generell einem Unverpackt-Laden war, wie muss man sich das Einkaufen bei Euch vorstellen? Was sollte man mitbringen?

Zunächst gerne erstmal nur reinschnuppern und reingucken und sehr gerne erstmal von uns erklären lassen, wie es funktioniert. Wer möchte, kann ansonsten auch gleich leere Behälter wie Flaschen, z.B. für Spülmittel, Shampoo, Bodylotion und Gläser oder Dosen für Zahnputztabletten oder Deocreme mitbringen. Also einfach reinkommen, beraten lassen und loslegen.

 

Nach welchen Kriterien wählst Du die Produkte, welche Du in deinem Laden anbietest, aus?

Also das Hauptkriterium ist, dass sie plastikfrei sind, nicht nur was die Verpackung angeht, sondern natürlich auch den Inhalt betreffend. Denn gerade im Kosmetikbereich enthalten sehr viele Produkte Mikroplastik. Das zweite wichtige Kriterium ist, dass die Produkte palmölfrei sein müssen. Auch dies ist im Kosmetikbereich nicht selbstverständlich. Uns ist auch schon passiert, dass wir versehentlich Produkte mit Palmöl eingekauft und dies erst bei der Lieferung bemerkt haben, da dies nicht immer klar ersichtlich deklariert ist. Zusätzlich legen wir Wert darauf, regionale Produkte zu beschaffen. Bei Seifen zum Beispiel beliefern uns sehr viele lokale und regionale Manufakturen.

 

Hast du alle Produkte, die Du anbietest, selber ausprobiert oder nutzt diese auch regelmäßig?

Wenn es besondere, neue Produkte sind, testen wir sie natürlich. Ansonsten nutze ich viele Produkte auch zuhause. In Bad und Küche sind wir zu 100 % mit Produkten aus dem Laden eingedeckt. Zum Zähneputzen benutze ich Denttabs, das sind Zahnputztabletten, die es mit und ohne Fluorid gibt, mit Minze oder Erdbeergeschmack für die Kleinen. Andere stehen eher auf unsere Zahnpasta zum Abfüllen oder Zahnpulver oder ganz exotisch auf Miswak-Hölzer, die aus dem asiatischen Raum kommen. Da muss jeder eben das Richtige für sich finden.

 

Hast Du ein Lieblingsprodukt?

Eins meiner Lieblingsprodukte ist unser tolles regionales Rosenwasser. Die Rosen werden in Hemmingen angebaut. Das Produkt ist klasse, das sprühe ich mir jeden Morgen ins Gesicht, es erfrischt und ist gut für die Haut. Außerdem verwende ich nur noch unsere festen Shampoos, da wechsele ich immer wieder durch und bin mit mehreren sehr zufrieden. Da ist es wie bei der Zahnpflege, jeder muss letztendlich das passende für sich entdecken. Auch von unseren Deos bin ich richtig begeistert, vor allem was die Wirkung betrifft. Früher verwendete ich die typischen bekannten „Markendeos“, von denen mich nie wirklich eins überzeugt hat.

 

In welcher Form kommen die Waren bei Euch im Laden an?

Die kommen in Kartons verpackt an. Das meiste ist von kleinen Manufakturen, die die Waren in Zeitungs- oder Recyclingpapier einschlagen. Diese Papiere stellen wir wiederum den Kunden zur Verfügung, damit sie ihre Seifen, Shampoo-Stücke etc. einpacken und schützen können. Die flüssigen Produkte bekommen wir in Mehrwegbehältnissen geliefert. Das flüssige Shampoo kommt im Eimer an, das Spülmittel und die flüssige Handseife in 25 Liter Kanistern. Diese gehen zurück zum Hersteller und werden dort gereinigt, desinfiziert und wieder befüllt. Das betrifft u.a. auch die Bodylotion, die Zahnpasta, die Deocreme und den Badezusatz zum Abfüllen.

 

Wie viel Müll fällt bei Euch in der Drogerie an?

Kartonage macht hier im Drogeriebereich und im Lebensmittelbereich in Ludwigsburg den mit Abstand größten Müllanteil aus. Regionale Lebensmittel bekommen wir fast komplett in Mehrwegbehältern. Der Plastikmüll ist sehr gering, im Drogeriebereich tendiert er sogar gegen null. Bei bestimmten Produkten ist es jedoch schwierig auf andere Materialien umzusteigen. Datteln zum Beispiel, die wir von einem Bio-Großhändler bekommen, sind von einer dünnen Plastikfolie umhüllt, da diese sehr klebrig sind.

 

Wie wirkt sich der aktuelle Lockdown auf Dein Geschäft aus? 

In Ludwigsburg, wo der Schwerpunkt bei Lebensmitteln liegt und wir in den letzten zwei Jahren eine großartige Stammkundschaft aufgebaut haben, ist es nicht ganz so extrem, wie hier in Stuttgart. Mit jedem Lockdown ging es erstmal bergab und hat sich dann langsam wieder erholt. Dagegen war es hier in der Stuttgarter Innenstadt jedoch mit dem harten Lockdown vor Weihnachten wie ausgestorben und wir hatten teilweise nur noch um die zehn Kunden am Tag im Laden. Der Umsatz beträgt gerade noch 30% von dem, was wir in den ersten beiden Monaten hatten. Deshalb haben wir die Öffnungszeiten, solange die anderen Geschäfte geschlossen sind, auf drei Tage die Woche reduziert, weil es sich einfach nicht mehr lohnte und wir täglich draufzahlten.

 

Bietet Ihr momentan auch ein Lieferangebot an, wenn man wegen Corona nicht in die Innenstadt gehen möchte?

Für Ludwigsburg haben wir das für den Lebensmittelbereich, was jedoch nur mäßig in Anspruch genommen wird. In Stuttgart dürfen wir den Onlineshop von Greenality mitnutzen. Da stehen wir jedoch ganz am Anfang mit einer kleinen Auswahl. Dies ist ein klasse Angebot von unseren Nachbarn, das wir sehr gerne angenommen haben, um einen weiteren Absatzkanal für die Drogerieartikel zu schaffen. Dort werden wir in den nächsten Wochen Schritt für Schritt weitere Artikel aufschalten.

 

Was wünschst Du Dir für Stuttgart?

Ich wünsche mir, dass gerade auch von kommunaler, aber auch von landes- und bundespolitischer Seite, das Thema nachhaltiger Einzelhandel mehr Unterstützung erfährt, wie z.B. der ökologische Landbau. Nachhaltige Konzepte sind leider noch kein Selbstläufer, wie der Billigsektor es ist. Außerdem wünsche ich mir, dass kleinere individuelle Geschäfte wieder mehr Platz in den Innenstädten finden und so der Stadt wieder ihren eigenen Charakter, ihr eigenes Gesicht geben. Mittlerweile gleicht eine Stadt der anderen und ist austauschbar. Generell wünsche ich mir mehr Grün und Nachhaltigkeit in den Innenstädten, auch was die Verkehrssituation betrifft. Ein Stadtzentrum mit kleinen grünen Oasen, einem schönen Ambiente, besonderen Einzelhandelsgeschäften und Handwerksbetrieben wo sich die Menschen wohl fühlen und gerne hin gehen, um dem zunehmenden Onlinehandel etwas entgegen zu setzen.

 

Hast Du schon weitere Pläne für die Zukunft?

Jetzt ist erstmal wichtig, dass sich die Situation stabilisiert und wir uns hier in Stuttgart etablieren, eine Stammkundschaft aufbauen und mehr Bekanntheit erlangen. Die Nachfrage ist grundsätzlich da, es werden Tag für Tag mehr Menschen, die genug haben von dem ganzen Müll, Plastik und Co. Bei uns können sie eben sicher sein, dass sie plastikfrei, palmölfrei und in großen Teilen regional einkaufen können. Wir sind stolz, hier in Stuttgart zu sein und den Menschen ein solches Angebot anbieten zu dürfen. Wir freuen uns natürlich auch über Tipps und Hinweise, um unser Sortiment sinnvoll zu ergänzen. Wir sind ständig auf der Suche nach Produkten, um unser Sortiment zu komplettieren, um den klassischen Drogerien mit ihrer Plastikflut etwas entgegen zu setzen.

Des Weiteren soll es bald einen Biomarkt auf dem Marienplatz geben, dort werden wir mit einem Stand vertreten sein und Nüsse, Trockenfrüchte, Müslis und Co. anbieten. Dieser Markt soll Ende April starten und wird immer am 2. und 4. Freitag im Monat stattfinden. Darauf freuen wir uns schon sehr.

 

Das klingt toll, wir freuen uns auch schon sehr, dass wir bald am neuen Marktstand einkaufen kommen können!

Wer sich vorher schon mal in der ohne PlaPla Drogerie umschauen möchte, findet alle wichtigen Infos wie Anfahrt und die aktuellen Öffnungszeiten auf der Homepage:

 

Website ohne PlaPla: https://www.ohneplapla.de/stuttgart

Onlineshop: https://www.greenality.de/ohneplapla

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