BUND Kreisverband Stuttgart

Der Wald im Klimawandel

Buche: abgestorbene Kronenmitte (Kronenverlichtung)

Wie läuft der Umbau von Wäldern zu resilienten und standortangepassten Wäldern ab?

Der Standort und das Klima sind immer ganz wichtig für die Baumart. Denn die Baumart kann nicht einfach, wenn’s ihr zu heiß wird, weggehen und einen kühleren Platz suchen. Also schauen wir immer, welche Baumart an welche Fläche passt. Dabei beachten wir Boden, Wasser, Höhe und Jahresniederschlag. Je mehr Baumarten ich habe, desto klimastabiler ist der Wald.
Von Wachstumsmodellen und Messmodellen wissen wir, wo verschiedene Baumarten vorkommen können und können uns dann nach diesen Standorten richten. Die Eiche und die Hainbuche sind z.B. eher am Südhang geeignet, die Rotbuche hingegen weniger, weil sie zu wenig Wasser an dem Standort hat. Man schaut also immer: Auf welchem Standort befinde ich mich gerade bzw. sich der Bestand und welche Baumart passt hier hin? Wenn wir durch die Messungen feststellen, dass es sich um einen trockeneren Standort handelt, nehmen wir hier natürlich dementsprechende Arten. Wir versuchen also, die Ansprüche der Baumarten zu erfüllen. In Deutschland gibt es auch viele Arten, die mit Trockenheit klarkommen. Anstatt jetzt die exotischere Edelkastanie zu pflanzen, setzen wir lieber auf heimische Arten wie Spitzahorn, Kirschen die Elsbeere oder Eichen. Aber auch Fremdländer wie die Douglasien kommen in Mischung vor. Die Mischung macht es aus. Wenn wir jetzt wieder nur auf eine Baumart setzen, weil sie so klimaresistent ist, haben wir in ein paar Jahren vielleicht das gleiche Problem wie mit den Fichten.

 

Lasst uns nun auf das Waldsterben zu sprechen kommen. Im Waldzustandsbericht wurde beschrieben, dass beispielsweise 89% der Buchen verlichtete Kronen aufweisen. Ist die Kronenverlichtung ein Zeichen dafür, dass Bäume sterben?

Ja, das kann ein Anzeichen dafür sein, da sieht man es am ehesten. Bei den Bäumen, gerade bei der Buche, verfärben sich die Blätter teilweise bereits im August oder September. Letztes Jahr beispielsweise war es noch nicht Herbst und da wurden einige Buchen schon gelb im äußeren Bereich der Krone, während der innere Bereich nicht betroffen war. Das ist dann so ähnlich wie Sonnenbrand: die Blätter werden durch Strahlung geschädigt, aber der Baum versucht, diese noch zu halten, so dass die innere Krone noch beschattet wird. Nach einer Weile fallen dann auch die feinen kleinen Äste ab, von außen nach innen und immer so weiter. Irgendwann hat der Baum dann zu wenig Kronenmasse und dann fällt die Rinde ab und platzt. Im Waldzustandsbericht wird z.B. anhand der Kronenverlichtung abgeschätzt, in welchem Zustand der Wald ist.

Abgestorbene Buche

Was kann denn unternommen werden gegen die Kronenverlichtung?

Wenn wir Bereiche und Bestände haben, die wir durchforsten müssen, und wissen, dass es Probleme mit der Buche gibt, beispielsweise wenn sie zu wenig Wasser hat, dann lassen wir da die Finger aus diesen Buchenecken um die Besonnung der Kronen nicht noch zu fördern. Aber wir bekommen das nicht aufgehalten. Wir haben hier in Stuttgart oder auch im Schönbuch einige Tonböden und die sind ein bisschen ein Problem.

 

Wieso sind diese Tonböden ein Problem?

Da hole ich ein bisschen aus. Ton besteht aus vielen feinen Bestandteilen im Boden, die das Wasser recht gut festhalten. Obwohl sich Wasser im Boden befindet, kann es dann sein, dass der Baum durch die Kapillarkräfte nicht genug Wasser ziehen und nutzen kann, weil die kleinen Bestandteile das Wasser viel fester halten. Zudem kommen die Trockenperioden im Sommer hinzu, die dazu führen, dass die Tonböden austrocknen. Dadurch bilden sich Risse im Boden, was die Feinwurzelsysteme der Bäume schädigt. Wenn diese Feinwurzeln kaputt sind, hat der Baum noch weniger Möglichkeiten, Wasser aufzunehmen.

 

Welche Möglichkeiten gibt es, den Bäumen in diesen Bereichen zu helfen?

Wir arbeiten dort mit Mischbaumarten. Wenn man beispielsweise eine Eiche in solchen Bereichen findet, fördern wir die Eiche und machen Platz um sie herum. Das machen wir, weil die Eiche viel tiefer als eine Buche mit dem Wurzelsystem kommt und tiefer liegende Wasserschichten erschließen kann. Oder wir nehmen eine Eiche raus, damit die Eicheln der umliegenden Bäume genug Licht haben, um sich weiterzuentwickeln. Also kurbeln wir die Naturverjüngung bei diesen besser geeigneten Baumarten an.

3 Jahre junge Kiefer

Was genau bedeutet Naturverjüngung und was sind die Vorteile?

Generell hat man bestimmte Baumarten auf einer Fläche. Diese Bäume sind irgendwann geschlechtsreif, lassen die Samen fallen und diese treiben dann aus. Wir haben dadurch standortgetreues Pflanzenmaterial und die Bäume können sich gut einwurzeln. Bei der Naturverjüngung entstehen sozusagen die Kinder der Altbäume. 
Wir pflanzen recht wenig, nur Bäume, die wir so noch nicht auf der Fläche haben. Wenn man Bäume aus der Baumschule nimmt, die dort behütet und gepflegt aufgewachsen sind, ist es für die Jungbäume oft erstmal ein kleiner Schock, im Wald zu landen. Klar, das geht zwar auch, man muss einen geeigneten Ort haben und sie pflegen. Der Vorteil der Naturverjüngung ist aber, dass die Bäume direkte Nachkommen sind und somit auch weniger Probleme an die Klimaanpassung aufweisen. Gerade die Buche ist hier sehr interessant: Wir haben zum Beispiel Bestände, in denen Altholz und Jungholz zusammenstehen. Die jungen Bäume sind oft schon 3 bis 5 Meter hoch und sehen wunderbar aus. Aber die großen Buchen werden gerade immer schwächer, wahrscheinlich wegen der Trockenheit. Da kann man natürlich auch sagen, der große Baum braucht wesentlich mehr Wasser, aber viele Forscher gehen davon aus, dass die neuen Buchen vielleicht einfach schon etwas angepasster an die Trockenheit sind. Sie sind damit aufgewachsen und können damit besser umgehen.
Es gibt auch noch die Anwendung von Wildlingen. Wenn man zum Beispiel ein Loch hat, weil die Fichte rausgenommen wurde, kann man hier, anstatt Fichtenkinder zu fördern, Tannen aus dem Nachbarbestand entnehmen und dort einpflanzen.

 

Buche Keimling

Wäre es eine gute Möglichkeit, beschädigte Buchen zu fällen und andere Bäume zu pflanzen?

Klar könnte man das machen, aber dann haben wir das Problem vielleicht ein Stück weit verstärkt. Oft sagen wir, dass wir diesen Bereich lassen und warten, was passiert. Bucheckern fallen runter, dann kommt die Naturverjüngung. Dann nehmen wir irgendwann die alten Bäume weg, damit die jungen Bäume wieder Platz haben und sich an diesen Standorten entwickeln können. Viele Forscher sagen, dass die Buchen eine Anpassungsfähigkeit haben und die Nachkommen gegen die Trockenheit vielleicht etwas besser gewappnet sind. In der Vergangenheit hat es so viel geregnet, dass Buchen beispielsweise gar nicht die Notwendigkeit hatten, tiefer zu wurzeln, weil sie alles Wasser bekamen, das sie brauchten. Wir hoffen darauf, dass die jungen Bäume, die ihre Wurzeln erst noch ausbilden, ihr Potential ausschöpfen und noch weiter in die Tiefe gehen und dann für die nächsten Jahre die Bäume sein werden, die besser mit Trockenheit klarkommen, weil sie tiefer wurzeln. Das schafft man bei alten Bäumen nicht mehr. Sie werden dann Habitatbäume und eignen sich unter anderem für Fledermäuse. Ich finde, mit radikalen Schritten muss man etwas aufpassen, gerade im Wald. Wenn man eine geschädigte Buchenfläche einfach abräumt, entstehen noch weitere Probleme, beispielsweise durch Vergrasung der Fläche und die stärkere Belichtung, die den Baumarten nicht unbedingt guttut. Da ist es besser, vereinzelt etwas zu machen, beispielsweise die Bäume am beschädigten Rand wegzunehmen. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, welche an die örtlichen Gegebenheiten angepasst sein müssen.

4 Jahre junge Douglasie

Welche Maßnahmen treffen Sie, um den Wald für den Klimawandel zu wappnen?

Unser Ziel ist es, eine Mischung aus Baumarten und Struktur in den Beständen zu schaffen, um möglichst Baumarten zu fördern, von denen wir wissen, dass sie die Trockenheit vertragen - die Eiche, der Spitzahorn, der Speierling vielleicht, die Elsbeere. Da gibt es echt viele. Auch bei Nadelhölzern: Die Kiefer, die Douglasie, soweit sie vorhanden ist. Mit Struktur meine ich, dass es alle möglichen Altersschichten im Wald gibt und auch, dass sich die Sorten unterscheiden. Es gibt auch bestimmte Biotope, beispielsweise Buchenhallenwälder, die nicht so ideal sind. Denn wenn die alten Bäume kaputtgehen, entsteht erst relativ spät wieder Wald an dieser Stelle. Aber wenn man auf einer Fläche alle möglichen Altersstrukturen hat, ist das ideal. Wenn ältere Bäume oder eine Baumart ein Problem haben, kann man ausweichen, so dass der Wald nie weg ist.

 

Wie sieht es mit der Gesundheit unserer Stuttgarter Wälder aus?

Also, bei der Eiche haben wir momentan gar kein Problem, ihr gefällt die Trockenheit sogar eher noch, weil sie gerade dadurch eine Chance hat gegen die Buche. Aber die Buche und die Fichte sind so ein bisschen die Sorgenkinder. Auch mit alten Tannen haben wir gerade ein Problem. Die leben nicht so ewig lange und brauchen viele Niederschläge. In Stuttgart haben wir relativ wenige Niederschläge im langjährigen Durchschnitt. Wir haben auch eine relativ hohe Buchenfläche, auf der die alten Bäume relativ geschädigt sind, aber auch viel Naturverjüngung stattfindet. Da vermuten wir, dass die Buchen in der Naturverjüngung besser mit dem Klima zurechtkommen werden. Aber an sich sind wir recht gut in Stuttgart aufgestellt, finde ich.

 

In diesem Jahr hat es ja recht viel geregnet. Macht das einen Unterschied?

Ja, ich freue mich sehr über die Niederschläge in diesem Jahr und die meisten Bäume können sich gut erholen. Auch der Borkenkäfer ist dieses Jahr auch noch nicht so präsent. Jedoch ist es zu beobachten, dass wir sehr viele trockenheitsgeschädigte Buchen aus den Vorjahren haben. Wenn es künftig aber wieder trockener wird, war es dieses Jahr nur eine kurze Verschnaufpause für die Bäume.

Weitere Themen:

Natur- und Artenschutz
Holzwirtschaft
Waldmanagement

Kiefer Sturmwurf

BUND-Bestellkorb