BUND Kreisverband Stuttgart

Alle Jahre wieder - der Weihnachtsbaum und die Nachhaltigkeit

27. November 2020

Die Wahl des passenden Christbaumes für das diesjährige Weihnachtsfest ist nicht nur mit dem äußeren Erscheinungsbild verbunden. Für umweltbewusste Verbraucher*innen ist die nachhaltige Anbauweise ein zusätzliches Kriterium für den Kauf. Der konventionelle Anbau von Tannenbäumen gerät durch Vorwürfe wie übermäßige Anwendung von Pestiziden und Düngemitteln zunehmend in Verruf. Im Interview mit einem Landwirt von der Ostseeküste diskutieren wir diese und andere kritische Aspekte der konventionellen Weihnachtsbaumproduktion.

Landwirt Benedikt Schneebecke in einer der Baumkulturen seines Betriebes Ostseetanne Foto: Benedikt Schneebecke

Für ein traditionelles und heimeliges Weihnachtsfest darf er nicht fehlen: der Tannenbaum. Die alljährliche Baum-Frage dreht sich dieser Tage jedoch nicht mehr nur darum wie groß, klein, buschig, wie gerade oder krumm der Baum sein soll. Für den umweltbewussten Kunden ist nicht nur das Erscheinungsbild, sondern die Art der Erzeugung entscheidend für den Kauf. Die konventionelle Produktion von Weihnachtsbäumen wird in den Medien harsch kritisiert. Es fallen Schlagwörter wie Monokultur, Überdüngung, übermäßiger Pestizid- und Herbizideinsatz und damit einhergehend Verschmutzung des Grundwassers, Verlust von Artenvielfalt, schlechte CO2-Bilanz und weitere. Die Stimmen der Produzenten selbst, kommen in der öffentlichen Diskussion selten zu Wort. Für eine faire und differenzierte Beleuchtung der Nachhaltigkeitsfrage in der Weihnachtsbaumproduktion haben wir für Euch mit einem Weihnachtsbaumerzeuger, der sich in beiden Produktionszweigen – ökologisch und konventionell - gut auskennt, kritische Aspekte der Produktion offen diskutiert.

Benedikt Schneebecke führt ein landwirtschaftliches Familienunternehmen im Nordosten Deutschlands. Auf dem Betrieb Ostseetanne in Mecklenburg-Vorpommern produziert er auf etwa 120 Hektar Wald- und Ackerfläche Tannenbäume für zukünftige Weihnachtsfeste.

 

Benedikt, findest Du die Kritik an der konventionellen Baumerzeugung bezüglich negativer Umwelteinflüsse gerechtfertigt?

B.: Ich persönlich habe kaum Verständnis für derartige Kritik. Ich lade jeden Kritiker herzlich dazu ein, sich eine Fläche mit Weihnachtsbäumen genauer anzusehen. Wenn ich im Sommer durch meinen Bio-Roggenschlag gehe, herrscht dort weitaus weniger Artenvielfalt als in der Baumkultur. Studien belegen, dass in einer Weihnachtsbaumplantage die Dichte an Singvögeln und Insekten wesentlich höher ist als in anderen Ackerkulturen. Auch beim Anbau von z.B. Bio-Getreide müssen Verfahren angewendet werden, die der Flora und Fauna Schaden zufügen, beispielsweise Striegeln und Ernten. Dadurch verlieren etliche Lebewesen ihren Lebensraum. Weihnachtsbäume hingegen verbleiben bis zu zehn Jahre auf einem Standort und bieten so einen langfristigen und sicheren Lebensraum für viele Tierarten. Ich würde mir wünschen, dass Kritiker die Thematik ein wenig differenzierter betrachten und versuchen, sich ein objektiveres Bild zu machen.

Du wirtschaftest konventionell, setzt dabei aber auf eine nachhaltige und umweltschonende Anbauweise. Durch welche Maßnahmen berücksichtigst Du explizit den Umweltschutz?

B.: Nachhaltigkeit und Umweltschutz beginnen bei uns mit der Neuanlage einer Fläche. Wir verwenden Stallmist umliegender Betriebe als Düngemittel und setzen zudem auf Gründüngung und Verfahrenstechniken wie die Winterfurche. So halten wir den Einsatz von Kunstdünger möglichst gering und können dem Unkrautdruck prophylaktisch entgegenwirken. Wir pflanzen jährlich genauso viele Bäume, wie wir aus der Kultur entnehmen, meist sogar mehr. Etwa 15 % der gesamten Anbaufläche bilden die begrünten Fahrgassen zwischen den Baumreihen. Viele Erzeuger säen dort Bienenweide aus. Über den Großteil des Jahres bleiben diese Gassen unberührt. Sie beugen dem Abtrag von Boden durch Wind und Niederschlag vor und bieten vielen Insekten und Kleintieren ein Zuhause. Je nach Unkrautdruck wenden wir aber schon Pflanzenschutzmittel an. Dabei halten wir uns streng an die gesetzlichen Vorgaben und arbeiten eng mit dem Pflanzenschutzamt Rostock zusammen. Herbizide und Insektizide sind teuer; es wäre unsinnig, sie im Übermaß und grundlos einzusetzen. Schon deshalb erfolgt ihre Anwendung nicht prophylaktisch, sondern nur punktuell und bei Bedarf. Außerdem ist so ein Baum viel stärker als z.B. eine Getreidepflanze. Er ist konkurrenzfähiger gegenüber Unkräutern. Wenn Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen, dann meist in viel geringeren Dosen als im Ackerbau.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass speziell die Dauerkultur Tannenbaum einen positiven Einfluss auf die Artenvielfalt hat und vielen Tieren gute Lebensräume bietet. Wie sind Deine persönlichen Erfahrungen dazu?

B.: Besonders Vögel haben auf den Bäumen einen super Überblick und finden gute Deckung. Wenn die Bäume noch klein sind, gibt es viele Lerchen und Kiebitze. Die mögen es gern, wenn die Flächen übersichtlich sind. Wird die Fläche mit der Zeit dichter, kommen viele weitere Singvögel dazu. Außerdem haben wir sehr viele Frösche, Schnecken und jede Menge Insekten auf den Flächen.

Neben dem Baumanbau betreibst Du Bio-Ackerbau. Kommt eine Umstellung des Baumbetriebes auf ökologischen Landbau für Dich in Frage?

B.: Das ist ein sehr schwieriges Thema. Ich selbst achte bei der Ernährung sehr auf ökologische Erzeugnisse. Ich habe in der Vergangenheit auf gut 60 Hektar ökologische Weihnachtbäume erzeugt. 2011 musste ich diesen Teil des Betriebes wieder umstellen. Das Risiko war einfach zu hoch. Hat man in einer biologischen Getreidekultur einen Schädlingsbefall, fällt der Ertrag in dem Jahr eben geringer aus. Hat man aber einen Schädlingsbefall an Tannen im 6. Standjahr, entsteht u.U. ein riesiger Verlust, da bereits 6 Jahre in die Bäume investiert wurde. Dieses Risiko war für mich nicht tragbar. Dazu kommt, dass viele Verbraucher nach wie vor nicht bereit sind, die tatsächlichen Mehrkosten des ökologischen Anbaus zu zahlen. Wenn man den Mehraufwand managen kann und die Baumproduktion nicht hauptberuflich betreibt, würde ich vor allem kleineren Erzeugern den Bio-Anbau aber durchaus empfehlen.

Seit Kurzem vertreibst Du Deine Bäume auch im Online-Shop. Siehst du darin einen Konflikt mit dem Nachhaltigkeitsgedanken? Am Online-Handel wird ja oft die schlechte CO2-Bilanz aufgrund langer Transportwege oder die Nutzung von Verpackungsmaterialien kritisiert.

B.: Ganz im Gegenteil. Für die CO2-Bilanz ist der Baum, der als Paket zugeschickt wird, deutlich besser als der Baum, den sich jemand mit dem eigenen Auto besorgt. Bei Verpackungsmaterialien achten wir besonders auf zertifizierte Ware und verzichten dabei zu 100 % auf Plastik.

 

Seit 2019 bist du erster Vorsitzender des Verbands Natürlicher Weihnachtsbaum e.V. Möchtest du etwas zur Tätigkeit des Verbandes erzählen?

B.: Ziel des Verbandes ist die Förderung des natürlichen Baumanbaus. Der Verkauf von Plastikbäumen hat in Deutschland massiv zugenommen. Wir möchten darüber aufklären, dass der Plastikbaum keine nachhaltige Alternative zum echten Weihnachtsbaum ist. Die Herstellung der Plastiktanne ist mit hohen CO2-Emissionen verbunden. Ein Plastikbaum müsste etwa 20 Jahre genutzt werden, um ökologisch mit einem echten Weihnachtsbaum mithalten zu können. Es ist wichtig, dass Verbraucher nicht aus falsch verstandenem Naturschutz zur Plastiktanne greifen. Der natürliche Baum ist der nachhaltigere Weihnachtsbaum, unabhängig davon, ob konventionell oder ökologisch erzeugt.

 

Es wird deutlich – die Frage nach der Nachhaltigkeit der Weihnachtsbaumproduktion weist Kontroversen auf. Für eine differenzierte Betrachtung ist es jedoch wichtig, dass die Meinungen aller Seiten gehört werden. Wer eine faire und umweltbewusste Entscheidung für seinen Baumkauf treffen möchte, sollte sich bewusst machen, dass konventionell nicht gleich umweltschädlich bedeutet und dass eine nachhaltige Bewirtschaftung nicht einzig und allein im ökologischen Anbau möglich ist. Bei der Wahl des Baumes gilt es, auf den Willen zur Transparenz seitens des Erzeugers zu achten und darauf, welche Produktionsverfahren angewendet werden. Vor allem regionale Erzeuger sollten unterstützt werden, um die mit weiten Transportwegen verbundenen CO2-Emissionen zu vermeiden. Informationen zu Anbietern in Baden-Württemberg findet ihr auf https://www.christbaumverband-bw.de/de/. Wer eine offizielle Garantie für eine nachhaltige Forstwirtschaft möchte, sollte beim Kauf des Baumes auf das FSC-Siegel achten das hierfür als Mindeststandard gilt. Nach einem ökologisch erzeugten Weihnachtsbaum muss man in Stuttgart ebenfalls nicht lange suchen: die Umweltorganisation ROBIN WOOD zählt in diesem Jahr allein für Baden-Württemberg 25 Produzenten mit Bio-Zertifizierung und 160 Verkaufsstellen für Bio-Weihnachtsbäume. Eine detaillierte Liste von Anbietern in und um Stuttgart findet Ihr auf https://www.robinwood.de/.

 

Vorschlag Foto – Quelle: Benedikt Schneebecke

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb