BUND Kreisverband Stuttgart

Ode an den Regenwurm – warum es sich lohnt Regenwürmern über die Straße zu helfen

15. Februar 2021 | Landwirtschaft, Lebenswertes Stuttgart, Lebensräume, Naturdetektive, Naturschutz, Umweltfreundlich leben, Wildnis Stuttgart

So klein, schlank, unscheinbar und doch so wichtig: der Regenwurm! Wer der Regenwurm eigentlich ist und was er alles für wichtige Aufgaben in unserer Ökosphäre übernimmt, dazu hier mehr in der Ode an den Regenwurm, dem unterschätzten Helden der Böden.

Steckbrief

Der Regenwurm ist ein gegliederter Wurm aus der Ordnung der Wenigborster und gehört zu dem sogenannten Bodenleben. Seine durchschnittliche Lebenszeit beträgt drei bis acht Jahre. Die heimischen Arten werden zwischen sechs und zwanzig Zentimeter lang und haben eine weißlich bis rötlich-braune Farbe. Je näher er an der Erdoberfläche lebt, desto dunkler ist seine Farbe.
Er ist ein feuchthäutiges Landtier und UV-empfindlich. Deswegen lebt er tagsüber unter der Erdoberfläche in Röhren, die bis zu 3 Meter lang sein können. Nachts kommt er auch an die Erdoberfläche. Kälte-, Hitze- oder Trockenperioden überdauert der Regenwurm zusammengerollt in einer Erweiterung seiner Wohnröhre. Er fühlt sich am wohlsten bei Temperaturen zwischen 10-15 °C.
Um seinen Namen ranken sich mehrere Hypothesen, eine davon ist, dass er bei Regen an die Erdoberfläche kommt, da in den wassergefüllten Röhren zu wenig Sauerstoff zum Überleben ist. Allerdings riskiert er damit den Tod durch UV-Strahlung.
In Deutschland leben 46 verschiedene Regenwurm-Arten von den weltweit etwa 3000 bekannten Arten. Die bekanntesten sind der Gemeine Regenwurm oder Tauwurm (Lubricus terrestris), der Kompostwurm (Eisenia fetida), der Kleine Ackerwurm oder Gartenwurm (Allolobophora chlorotica) und der Rote Waldregenwurm (Lumbricus rubellus).
Ganz besonders ist die endemische Art des Badischen Riesenwurms (Lubricus badensis). Endemisch heißt, dass er nur in einer kleinen Region im Südschwarzwald vorkommt. Er wird bis zu 60 Zentimeter lang und kann 20 Jahre alt werden – ein wahrer Methusalem unter den Regenwürmern.

Superheld „Regenwurm“

In einem Quadratmeter gesundem Boden leben 100 bis 400 Regenwürmer. Regenwürmer fressen und zersetzen Falllaub, organische Streu, Bakterien, Grünalgen, Pilzsporen und Einzeller (Protozoen). In 24 Stunden wird eine Menge verarbeitet, die seinem eigenen Körpergewicht entspricht. Pro Jahr und Quadratmeter werden so etwa 50 kg Kot an die Erdoberfläche gebracht. Die kleinen Regenwurmhäufchen, die sich bei genauem Hinsehen leicht erkennen lassen, sind feinster Dünger für Pflanzen, da sie viele aufgeschlossene Nährstoffe enthalten.
Der Darm des Regenwurms ist eine wahre Wunderfabrik: organisches Material und Bodenteilchen werden im Darm zerkleinert und die Humusstoffe und Tonteilchen werden zu neuen Ton-Humuskomplexen verbunden. Ton-Humuskomplexe sind ein ganz wichtiger Bestandteil gesunder, fruchtbarer Böden, da an ihnen besonders gut Nährstoffe angelagert werden können, welche die Pflanze dann bei Bedarf aufnehmen kann. Eine weitere Besonderheit des Regenwurmdarms ist, dass sich gute, bodenförderliche Bakterien in seinem Darm vermehren, teilweise bis um das Fünffache. Das fördert wiederum das allgemeine Bodenleben und die Zersetzung im Boden.

Warum ist der Regenwurm so wichtig?

Der Regenwurm trägt durch seine Wühltätigkeiten im Boden auf der Suche nach Nahrung zur Lockerung, Durchlüftung und Umschichtung des Bodens bei. Die Regenwurmröhren sorgen ebenfalls für gute Durchlüftung und durch die Röhren kann Wasser besser im Boden versickern. Wie Leitschienen weisen die Regenwurmröhren den Pflanzenwurzeln den Weg und erleichtern damit den Pflanzen das Durchwurzeln des Bodens.
Die Regenwurmröhren werden mit Schleim und Exkrementen ausgekleidet, der sogenannten „Regenwurmtapete“, dies führt zu Bodenstabilität und dient gleichzeitig den Pflanzen als Dünger.
Außerdem erzeugt der Regenwurm durch seine Tätigkeiten sogenannten Dauerhumus. Dauerhumus ist eine stabile Humusschicht, die für nachhaltig fruchtbare Böden sorgt.

Wie kann man Regenwürmer fördern?

Der Regenwurm fühlt sich am wohlsten bei einem neutralen pH-Wert. In der freien Natur kommt er häufig unter Laubwäldern, Wiesen und Weiden vor, seltener nur unter Nadelwäldern, da es dort eben deutlich saurer im Boden ist. Mit anderen Worten: eine Thuja-Hecke ist eher weniger Regenwurm fördernd, besser sind hier heimische Sträucher wie Schlehe, Heckenrose, Hartriegel und Hasel. Auch aus Hainbuchen lassen sich schöne Hecken formen.
Tiefes Pflügen oder häufiges tiefes Umgraben verringert die Regenwurmdichte, wo hingegen ökologische Landwirtschaft oder pfluglose integriert-konventionelle Landwirtschaft zu einer deutlichen Zunahme der Regenwurmpopulationen führen.
Das Ausbringen von Gülle und Pestiziden jeglicher Art verringert ebenfalls die Regenwurmdichte.
Wer in seinem eigenen Garten etwas zur Regenwurmförderung tun will, gärtnert ökologisch, setzt organische Düngung ein und legt einen Kompost an.
Praktische Tipps und Tricks zum ökologischen Gärtnern sind hier oder hier zu finden. Weiterführende Informationen zu Regenwurm fördernder Landwirtschaft gibt es hier.

Was hat Stuttgart für ein Regenwurmpotenzial?

Wenn wir davon ausgehen, dass in einem Quadratmeter Boden 100 bis 400 Regenwürmer leben und Stuttgart 609.000 Einwohner hat, dann würden unter einer Bodenfläche von 7.140 Quadratmetern, also so groß wie das Spielfeld des Neckarstadions, bereits zwischen 700.000 und 3 Millionen Regenwürmer leben.
Wenn nur unter einer Fläche von der Größe des Neckarstadion-Spielfeldes bereits mehr Regenwürmer leben als Stuttgart Einwohner hat, welches Potential steckt dann unter all den vielen noch so kleinen oder auch größeren Grünflächen in Stuttgart! Denn davon hat unsere Stadt noch eine ganze Menge zu bieten.
Von der gesamten Bodenfläche Stuttgarts sind gut 46 % Grünflächen, Parks, Wald oder landwirtschaftliche Flächen. Zusammen sind das über 9.000 ha.
Das ist ein gigantisches Potenzial, welches wir in Stuttgart da zur Verfügung haben!
Wenn uns also das nächste Mal ein Regenwurm über den Weg kriecht, kurz innehalten und staunen vor diesem kleinen unscheinbaren Wunder, ihm von der Straße helfen und ihn unter ein schützendes Blatt legen.

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb