BUND Kreisverband Stuttgart

Das erste deutsche Lieferkettenegesetz

Deutschland möchte nun endlich ein Lieferkettengesetz verabschieden, welches den Unternehmen verbindliche und rechtliche Vorgaben gibt, was sie in Sachen Menschenrechten in ihren Lieferketten beachten müssen. Das ist ein längst überfälliger Schritt, denn viele Menschen und auch die Umwelt leidet stark unter der rücksichtslosen Produktion unserer Konsumgüter.
Im Laufe des Gesetzesverfahrens wurden diese Rechte jedoch durch den Druck der Wirtschaft und durch Interessenvertreter der CDU sehr abgeschwächt. Nur noch wenig ist nun von den vielversprechenden Idealen des ersten Gesetzentwurfs übrig geblieben. Wir fordern deswegen eine umfangreiche Nachbesserung und haben hierzu unsere Bundestagsabgeordneten um eine Stellungnahme gebeten.

Mehr Informationen zum Liferkettengesetz findest auf Initative Lieferkettengesetz, Einführung zum Lieferkettengesetz und Endlich ein Lieferkettengesetz-oder etwa doch nicht?!

 

Forderungen des BUND Kreisverband Stuttgart zur Verbesserung des Lieferkettengesetzes

 

Wir fordern:

  1.  Eine vollumfängliche Sorgfaltspflicht die nicht nur für den eigenen Geschäftsbereich, sondern auch für mittelbare Zulieferer gilt (denn hier ist die größte Gefahr der Menschenrechtsverletzung verzeichnet).
    Es ist äußerst problematisch, dass der Regierungsentwurf des Lieferkettengesetzes das Entstehen der Sorgfaltspflichten bei mittelbaren Zulieferern davon abhängig macht, dass ein Unternehmen „substantiierte Kenntnis“ über eine mögliche menschenrechtliche Verletzung erlangt (§9,3.). In diesem Fall kommt die Hilfe meist zu spät, der Schaden ist dann bereits angerichtet. Der Bereich der Risikoanalyse muss auf die mittelbaren Zulieferer ausgeweitet werden. Das UN-Leitprinzip sieht die Risikoanalyse für die gesamte Lieferkette vor, da nur dadurch präventiv ein Missstand verhindert werden kann. (UN Leitprinzip 17 a): „Sorgfaltspflicht auf dem Gebiet der Menschenrechte: (a) sollte sich auf die nachteiligen menschenrechtlichen Auswirkungen erstrecken, die das Wirtschaftsunternehmen durch seine eigene Tätigkeit unter Umständen verursacht oder zu denen es beiträgt oder die infolge seiner Geschäftsbeziehungen mit seiner Geschäftstätigkeit, seinen Produkten oder Dienstleistungen unmittelbar verbunden sind...“)

  1. Eine explizite zivilrechtliche Haftungsregel, wonach Unternehmen vor deutschen Zivilgerichten für Schäden haften, die sie durch Missachtung ihrer Sorgfaltspflichten verursacht haben.
    Durch den neuen Entwurf ist ein zentraler Zweck des Gesetzes, nämlich ein verbesserter Zugang zu Gerichten und Entschädigungsansprüchen für die Betroffenen verloren gegangen.

  1. Einführung eigenständiger umweltbezogener Sorgfaltspflichten; schadens- und umweltbezogene Generalklausel.
    Die umweltbezogenen Menschenrechtsverletzungen sind lediglich ausschnitthaft und größtenteils auf zwei Abkommen bezogen. Erforderlich ist vor diesem Hintergrund die Ausgestaltung der umweltbezogenen Sorgfaltspflicht als schadens-und umweltgutsbezogene Generalklausel, die sich auf erhebliche nachteilige Veränderungen (oder Beeinträchtigungen) der Umweltgüter Boden, Luft, Wasser, Biodiversität und das globale Klima erstreckt. Problematisch ist auch die Beweislage, denn viele umweltbezogenen Schäden sind nicht sofort sichtbar, sondern entwickeln sich mit der Zeit, dies muss in der Generalklausel berücksichtigt werden.

  1. Eine Ausweitung des Geltungsbereichs auf alle Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden sowie auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Sektoren mit besonderen menschenrechtlichen Risiken.
    Kleinere Unternehmen in Deutschland die vor allem aus der Textil- und Lebensmittel-Branche stammen, sind oft in Menschenrechtverletzungen und Umweltzerstörung verwickelt. Diese müssen miteinbezogen werden. Außerdem müssen Tochterunternehmen auch in die Sorgfaltspflicht aufgenommen werden, zumindest so lange sie dem gleichen Geschäftszweck dienen.

  1.  Die sieben UN Menschenrechtabkommen müssen angehängt werden. Zusätzlich müssen auch nach der Internationalen Arbeits- und Sozialstandards Konvention die Beteiligungsrechte indigener Völker gesetzlich verankert werden.
     Die Auflistung orientiert sich am menschenrechtlichen Bezugsrahmen der UN-Leitprinzipien (UNLP), lässt aber die Allgemeinen Menschenrechte (AMER) aus. Zudem fehlen zentrale von Deutschland ratifizierte UN Menschenrechtsabkommen, wie die Frauenrechts-, die Kinderrechts-und die Behindertenrechtskonvention.

  1. Eine klare Definition welche Bedürfnisse und Rechte ein Lohn abdecken muss.
    Momentan gilt die Regelung des Beschäftigungsortes bei der Angemessenheit des Lohns (welches Gesetz ist gemeint? §2,8).  Der Sinn und Zweck eines Lieferkettengesetzes im Sinne der UNLP muss sein, Menschenrechte unabhängig vom lokalen Recht durchzusetzen, das oft ein nur unzureichendes Schutzniveau bietet. Durch zu niedrigen Lohn sind Familien im globalen Süden eher dazu gezwungen ihre Kinder ebenfalls arbeiten zu lassen. Ein fairer Lohn muss mindestens die Grundbedürfnisse (Wohnen, Wasser, Nahrung) des Arbeitnehmers und seiner Familie garantieren.

  1. Ein angemessenes Risikomanagement und Beschwerdesystem für die gesamte Lieferkette: Ziel UNLP: Unternehmen können Missstände frühzeitig erkennen und Betroffene können ihre Anliegen zur Geltung bringen und Wiedergutmachung erlangen.
    Das jetzige Gesetz ist zu vage formuliert, im Wesentlichen bleibt es Unternehmen selbst überlassen wie sie das Verfahren gestalten. Keine Orientierung an rechtlichen Vorgaben z.B. EU Whistleblowing-Richtlinie. Hierbei ist die Beteiligung von Betroffenen bei Risikoanalyse, Verankerung von präventionsmaßnahmen, Abhilfemaßnahmen und Beschwerdesystem notwendig, um nachhaltig die Menschenrechte zu gewährleisten.   

 

Der BUND Kreisverband Stuttgart bedankt sich herzlich für ihr Bemühen.


Thea Samide Bundesfreiwillige beim BUND Kreisverband Stuttgart
Clarissa Seitz Kreisvorsitzende BUND

 

BUND Kreisverband Stuttgart

 

 

Stellungnahme der Bundestagsabgeordneten

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Bündnis 90/Die Grünen - Dr Anna Christmann

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen setzt sich seit Jahren für eine Umsetzung der VN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten im Rahmen eines verbindlichen Gesetzes ein. Zuletzt haben wir dies mit einem Antrag im Dezember 2019 gefordert:(https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/160/1916061.pdf). Wir werden das parlamentarische Verfahren zum Sorgfaltspflichtengesetz mit all unserer Kraft betreiben und uns für deutliche Nachbesserungen im vorgelegten Regierungsentwurf einsetzen. Am Ende hat das Parlament das letzte Wort - dementsprechend muss das Gesetzgebungsverfahren transparent gestaltet und die Expertise von Sachverständigen im Rahmen von Anhörungen berücksichtigt werden.

Wie Sie, kritisieren wir den Regierungsentwurf vor allem aufgrund der fehlenden zivilrechtlichen Haftung. Dadurch bleibt es für Geschädigte nahezu unmöglich, das erfahrene Unrecht einzuklagen. Die Bundesregierung muss bei wirksamen Abhilfemöglichkeiten für Geschädigte von Menschenrechtsverletzungen noch dringend nachbessern. Auch dass nur sehr große Unternehmen unter das Gesetz fallen, schränkt die Wirksamkeit des Gesetzesvorschlags massiv ein. Darüber hinaus wäre im Umweltbereich deutlich mehr drin gewesen. Wir kritisieren ebenfalls die Verkürzung der Sorgfaltspflichten auf direkte Zulieferer. Damit wird ein Grundkonzept der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte untergraben. Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in Textilfabriken, Minen und auf Plantagen sind leider eine Realität, die wir aber nicht akzeptieren dürfen.

Meine Fraktion wird im parlamentarischen Verfahren konkrete Verbesserungsvorschläge einbringen. Klar ist: Die Chance auf effektiven Umwelt- und Menschenrechtsschutz in internationalen Lieferketten darf nicht vertan werden. Deutschland muss sich auch auf EU-Ebene für eine starke Regulierung unternehmerischer Sorgfalt einsetzen!

Die Linke - Bernd Riexinger

Ausbeutung, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferkette sind symptomatisch für ein ungerechtes globales Wirtschaftssystem, das alles andere als zukunftstauglich ist. Deswegen setzen wir von der Fraktion DIE LINKE uns bereits seit vielen Jahren für die Verabschiedung von verbindlichen sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten ein. Wir fordern dies nicht nur für Deutschland, sondern auch auf Ebene der Europäischen Union und der Vereinten Nationen.

Der am 3. März vom Kabinett verabschiedete Gesetzesentwurf für ein "Sorgfaltspflichtengesetz" wäre die historische Chance gewesen, der globalen Geschäftstätigkeit deutscher Konzerne die Menschenrechte sowie Arbeits- und Umweltschutz zugrunde zu legen und den Betroffenen von Konzernverbrechen robuste Klagemöglichkeiten vor deutschen Gerichten zu ermöglichen. Leider blieb der Entwurf weit hinter unseren Erwartungen (siehe hierzu unseren Antrag 19/15777 <https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/157/1915777.pdf>  für ein Lieferkettengesetz) und hinter den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zurück.

Deswegen sind wir in der Debatte im Bundestag laut für eine umfangreiche Nachbesserung eintreten. In Änderungsanträgen fordern wir ein Lieferkettengesetz, das die gesamte Lieferkette und alle deutschen Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden (oder kleinere Unternehmen, die in Risikosektoren tätig sind) umfasst. Bei Verstößen muss das Gesetz umfangreiche zivile Haftungsmöglichkeiten für Betroffene und einen Ausschluss der Unternehmen von der Außenwirtschaftsförderung vorsehen. Es braucht eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflichten und eine Verankerung des Pariser Klimaabkommens im Gesetzestext. Darüber hinaus darf es in dem Gesetz keinen abschließenden und restriktiven Menschenrechtskatalog geben - Unternehmen müssen alle Menschenrechte achten! Vulnerable Gruppen wie Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderungen, Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten müssen besonders berücksichtigt und gehört werden. Es ist problematisch, dass einer dem Wirtschaftsministerium unterstellten Behörde, dem BAFA, die alleinige Kontrolle der Unternehmen obliegen soll. Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und andere Stakeholder müssen stärker eingebunden werden. Daher braucht es zusätzlich Verbands- und Kollektivklagen.
 

Trotz dieser Mängel startet die Wirtschaftsunion neuerliche Angriff auf das Lieferkettengesetz. Die Koalitionsparteien aus CDU/CSU und SPD haben den Entwurf kurzfristig wieder von der Tagesordnung des Bundestags genommen. Um Unternehmen vor jeglicher Haftung durch das Lieferkettengesetz zu schützen, stellt die GroKo das gesamte Vorhaben kurz vor Ende der Legislaturperiode in Frage. Dabei sind die Rechte der Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen im aktuellen Kabinettsentwurf bereits maßlos unterrepräsentiert. Der Aufschub der Debatte genutzt werden, um den Gesetzesentwurf nachzubessern. Das bedeutet, dass auch mittelständische und ausländische Unternehmen verpflichtet werden müssen. Unternehmen müssen ihre Sorgfaltspflichten für die gesamte Lieferkette erfüllen und bei Verstößen braucht es eine umfangreiche zivilrechtliche Haftung.

FDP - Judith Skudelny

"Deutsche Unternehmen tragen durch ihr hohes Handelsvolumen und ihre hohen Standards weltweit erheblich zum Wohlstand der Menschen und dem Kampf gegen Hunger und Armut bei. Die Investitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern beschleunigen dort die wirtschaftliche Entwicklung und führen so zu höheren Löhnen und sozialen Standards. Dass viele Unternehmen schon heute ein hohes Verantwortungsbewusstsein in Bezug auf Menschenrechte, Arbeitsnormen und Umweltstandards besitzen, zeigt sich an den bestehenden und passgenauen Branchenstandards, die bereits heute auf freiwilliger Basis bestehen. Wir sollten das weitere Engagement unserer Unternehmen daher unbedingt unterstützen. Das geht aber nur über angemessene und unbürokratische Regelungen, die insbesondere kleine und mittlere Unternehmen nicht benachteiligen. Deshalb halte ich das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung für untauglich. Heimische Unternehmen für Verfehlungen von Zulieferern im In- und Ausland haftbar zu machen, wird zu einem Rückzug dieser Firmen aus Entwicklungsländern führen.

Zusammen mit meiner FDP-Bundestagsfraktion fordere ich stattdessen eine wirksame Mittelstandsklausel gegen die Auslagerung der Verantwortung von großen Unternehmen an kleine und mittlere Unternehmen. Für mittelständische Firmen ist eine lückenlose Überwachung ihrer Lieferketten kaum zu leisten. Sie haben weder die Marktmacht noch das erforderliche Personal. Die Haftung in der Lieferkette sollte darum nur auf den Bereich der direkten Kontrolle bezogen werden, ohne neue zivilrechtliche Haftungsansprüche zu begründen. Die FDP schlägt dafür einen risiko-, größen- und sektorspezifischen Ansatz vor. Die Schaffung weiterer Dokumentationspflichten oder unnötiger bürokratischer Hürden lehnen wir ab. Es braucht hingegen Sorgfaltsprozesse auf Branchenebene, damit nicht jedes Unternehmen individuell eine eigene Bürokratie aufbauen muss.

Ich bedauere außerdem, dass die Bundesregierung auf einen nationalen Alleingang setzt, anstatt gemeinsam mit der Europäischen Union die Durchsetzung von Menschenrechten in den Lieferketten wirksam zu gestalten. Nationale Alleingänge führen nur zu einem europäischen Flickenteppich und Wettbewerbsverzerrungen. Ich bin überzeugt, dass nur gemeinsame europäische Standards dem Binnenmarkt gerecht werden und zu einer positiven und nachhaltigen Wertschöpfungskette beitragen."

SPD - Ute Vogt

Angesichts der Fülle von Anfragen, die mich erreichen, kann ich Ihrer Bitte um eine detaillierte Stellungnahme bis zum 21. Mai nicht nachkommen. Sie wünschen sich zudem eine Stellungnahme, die sich auf die nächste Legislaturperiode bezieht. Da ich nicht erneut kandidieren werde, erübrigt sich eine Antwort meinerseits. Ich kann Ihnen allerdings empfehlen über Ihren Bundesverband bei der SPD von dem Angebot der Wahlprüfsteine Gebrauch zu machen. Sie finden das weitere Vorgehen hier:

https://wahlpruefsteine.spd.de

Mit der Initiative Lieferkettengesetz stehe ich seit geraumer Zeit in Kontakt. Mich haben auch viele Mails über den Aufruf der Initiative erreicht. Ich habe Ihnen im Folgenden meine Antwort auf diese Aktionsmails zu Ihrer Information angefügt. Angesichts der neuesten Entwicklungen und des noch nicht beendeten parlamentarischen Verfahrens, ist meine Antwort selbstverständlich eine Momentaufnahme und bezieht sich ausdrücklich nicht auf die kommende Wahlperiode.

Da ein starkes Lieferkettengesetz für mich eine Herzensangelegenheit ist, werde ich nichtsdestotrotz auch über meine Amtszeit hinaus am Thema dran bleiben.

CDU/CSU - Karin Maag und Stefan Kaufmann

Keine Antwort ist auch eine Antwort!
Wir haben leider von beiden MdBs keine Rückmeldung bekommen. Jedoch haben wir in unserm Anschreiben ausdrücklich gesagt, dass das Ausbleiben einer Stellungnahme bedeutet, dass sie keinen Grund für eine Nachbesserung des Gesetzes sehen.
Wir bedauern sehr, dass die MdBs keine Zeit gefunden haben und hoffen, dass auch dieses Satement den Wählern weiterhilft.

 

Vielen Dank an alle MdBs für die ausführlichen Antworten und für ihr Bemühen.

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